Unruhen im Kaukasus

Kirgisien will Militärhilfe aus Moskau

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Die schweren Unruhen sind außer Kontrolle. 60 Tote bislang.

Angesichts der außer Kontrolle geratenen Unruhen im Süden Kirgistans mit mehr als 60 Toten hat die kirgisische Regierung Russland um militärische Hilfe ersucht. Sie habe den russischen Präsidenten Dmitri Medwedew in einem Brief gebeten, Truppen in die Stadt Osh zu entsenden, sagte die kirgisische Übergangspräsidentin Rosa Otunbajewa am Samstag. Dort spitzte sich die Lage einen Tag nach Beginn der Ausschreitungen zwischen ethnischen Kirgisen und Angehörigen der usbekischstämmigen Minderheit weiter zu.

Ihre Regierung habe die Kontrolle über den Süden des Landes verloren, räumte Otunbajewa ein. Ohne ausländische Hilfe könne man die Gewalt nicht in den Griff bekommen. Im Großraum von Osh herrsche inzwischen auch eine Lebensmittelknappheit, nachdem nahezu alle Geschäfte geschlossen oder geplündert worden seien, sagte die Übergangspräsidentin vor Journalisten in Bischkek. Sie habe am Freitagabend telefonisch mit dem russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin über die Lage gesprochen.

Die russische Regierung reagierte zunächst nicht auf die Bitte Otunbajewas. Russland verfügt über einen Luftwaffenstützpunkt in Kirgistan, müsste aber im Falle einer Intervention in Osh zusätzliche Soldaten schicken. Die Ausschreitungen in der zweitgrößten Stadt des Landes sind die schwersten seit dem Sturz von Präsident Kurmanbek Bakijew Anfang April, als 85 Menschen getötet wurden.

Osh brennt
Am Samstag standen weite Teile der Innenstadt von Osh in Flammen. Bewaffnete kirgisische Männer zogen durch Wohnviertel der usbekischstämmigen Minderheit und zündeten Häuser an. Über der Stadt lag dichter schwarzer Rauch. Die offizielle Zahl der Todesopfer seit Freitag stieg nach Angaben des Gesundheitsministeriums auf mindestens 62. Fast 800 Menschen wurden verletzt.

"Junge Männer mit weißen Masken plündern die verbliebenen Geschäfte, Büros und Häuser und setzen sie dann in Brand", sagte Bakit Omurkulow von der Nichtregierungsorganisation "Koalition für Demokratie und Zivilgesellschaft". Die Übergangsregierung hatte am Freitag den Ausnahmezustand über den Großraum Osh verhängt und Soldaten und gepanzerte Fahrzeug entsandt. Über Nacht beruhigte sich die Lage zunächst, bevor die Kämpfe am Samstag wieder aufflammten.

Ein Führer der Partei Ata-Shurt, Omurbek Suwanalijew, sagte: "Es ist ein echter Krieg. Alles brennt, und Leichen liegen auf der Straße." Aus der Innenstadt sowie vom Flughafen, auf dem Hunderte Reisende festsaßen, war Gewehrfeuer zu hören. Tausende verängstigte ethnische Usbeken flohen in Richtung der nahe gelegenen Grenze zu Usbekistan. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AP berichtete, bei einer Massenpanik an der Grenze seien Kinder zu Tode getrampelt worden.

Im Ferghana-Tal, das sich auf die Staatsgebiete von Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan erstreckt, kam es bereits in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Diese eskalierten zuletzt wegen eines Territorialstreits zwischen Kirgisen und Usbeken im Juni 1990 in Osh, dabei wurden Hunderte Menschen getötet. Sowjetische Truppen beendeten die Kämpfe.

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