Zwei-Wochen-Frist

Asylstreit: Trump attackiert Merkel

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Jetzt mischt sich der US-Präsident in die deutsche Debatte ein. 

US-Präsident Donald Trump hat sich in die innenpolitische Debatte in Deutschland um die Einwanderungspolitik eingeschaltet und der Regierung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Vertrauenskrise bescheinigt. "Die Menschen in Deutschland wenden sich gegen ihre Führung", schrieb Trump am Montag im Kurzbotschaftendienst Twitter.

 
Das Thema Migration "erschüttert die ohnehin schon prekäre Koalition in Berlin", fügte er hinzu. Der US-Präsident behauptete, dass als Folge der Zuwanderung die Kriminalitätsrate in Deutschland "weit nach oben" gegangen sei. In ganz Europa sei der Fehler gemacht worden, Millionen von Menschen einreisen zu lassen, die "so stark und gewaltsam" die Kultur der Einwanderungsländer verändert hätten. "Wir wollen nicht, dass das, was mit der Einwanderung in Europa passiert, uns passiert!" warnte Trump.
 
Dass sich ein US-Präsident in derart massiver Form in die innenpolitische Debatte eines westlichen Partnerlandes einschaltet, ist ein höchst ungewöhnlicher Vorgang. Schon während seines Wahlkampfs hatte Trump die Einwanderungspolitik der Bundeskanzlerin als warnendes Beispiel angeprangert.
 

Merkel bekommt zwei Wochen 

 Nur eine Atempause im Asylstreit von CDU und CSU in Deutschland, danach droht eine noch schärfere Eskalation: Die CSU gesteht der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Auseinandersetzung über eine Zurückweisung bestimmter Migranten an der Grenze eine Frist von zwei Wochen zu, um bilaterale Abkommen mit anderen EU-Staaten auszuhandeln.
 
Sollte Merkel aber dabei bis nach dem EU-Gipfel am 28. und 29. Juni keinen Erfolg haben, werde er im nationalen Alleingang - und gegen den ausdrücklichen Willen der Kanzlerin - Zurückweisungen an der Grenze anordnen, machte Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer am Montag in München deutlich. Ihm geht es dabei insbesondere um Asylbewerber, die schon im EU-Ausland registriert sind.
 
Video zum Thema: Merkel: Krisensitzung nach Asyl-Streit
 
Merkel versuchte in Berlin dem Eindruck entgegenzuwirken, sie richte sich nach dieser Zeitvorgabe, und drohte Seehofer ihrerseits mit ihrer Richtlinienkompetenz als Kanzlerin. Diese sei berührt, wenn Seehofer Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze ohne eine Abstimmung mit EU-Partnern in Kraft setzte und diese "zulasten Dritter" gingen. In Artikel 65 Grundgesetz heißt es: "Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung."
 
Merkel stellte klar, dass es keinen automatischen Start von Zurückweisungen nach den EU-Verhandlungen Ende Juni geben werde. Ihre CDU wolle zunächst am 1. Juli in Präsidium und Vorstand beraten und "im Lichte des Erreichten über das weitere Vorgehen entscheiden" - und dann auch mit der CSU, sagte Merkel nach Sitzungen der Parteigremien. "Es gibt also keinen Automatismus."
 
Seehofer zeigte sich bereit, bevor er umfassende Zurückweisungen anordnet, Anfang Juli noch einmal mit Merkel und der CDU zu sprechen. Das sei dann "eine Frage des Anstands".
 
Die SPD verlangte angesichts dieses Zerwürfnisses der Unionsparteien die Einberufung eines Koalitionsausschusses. Eine Einigung der beiden Seiten über Seehofers sogenannten Masterplan zur Migration habe bedeute keineswegs zugleich eine Zustimmung der Sozialdemokraten zur Folge, machte sie deutlich. Die SPD werde am Montagabend im Präsidium einen eigenen Plan erörtern.
 
Merkel hatte den Informationen zufolge in der Vorstandssitzung gesagt, es gäbe bei 62,5 der 63 Punkte von Seehofers sogenanntem Masterplan Migration Übereinstimmung.
 

CSU-Chef sieht "grundlegenden Dissens"

Der CSU-Chef sieht einen "grundlegenden Dissens" mit der Kanzlerin in der Frage, ob künftig mehr Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen werden sollen. "Es geht nicht um 14 Tage, es geht um einen grundlegenden Dissens", sagte Seehofer. Er fügte hinzu: "Es geht neben der Funktionsfähigkeit eines Rechtsstaats auch um die Glaubwürdigkeit meiner Partei." Für sein Vorgehen hatte Seehofer zuvor vom CSU-Vorstand einstimmige Rückendeckung erhalten.
 
Merkel soll innerhalb von zwei Wochen ausloten, welche europäischen Länder bereit sind, Flüchtlinge zurückzunehmen, die dort schon einmal registriert wurden. Sie strebt offensichtlich bilaterale Abkommen mit Staaten wie Italien, Österreich, Griechenland oder Bulgarien an.
 
Das Thema dürfte auch am Abend beim Antrittsbesuch des italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte bei Merkel auf der Tagesordnung gestanden haben. Italien ist mit am meisten betroffen von neu ankommenden Flüchtlingen aus Afrika, von denen aber viele weiter nach Norden ausreisen. Die neue Regierung in Italien machte bereits deutlich, dass sie eine wesentlich härtere Gangart umsetzen will. Dies zeigt auch der Fall des Rettungsschiffs "Aquarius" mit hunderten Migranten an Bord, dem Innenminister und Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini die Einfahrt in einen Hafen des Landes verwehrt hatte.
 

Asylstreit hat Brüsseler Kommission aufgeschreckt

Der Asylstreit in Deutschland hat offensichtlich auch die Brüsseler Kommission aufgeschreckt. Ein Sprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, man sei für alle Gesprächsforen offen, um "so viele Fortschritte wie möglich hin zu einer europäischen Lösung im Umfeld des Gipfels Ende Juni" zu erreichen. Juncker will am Dienstag in Meseberg mit Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sprechen. Eine einvernehmliche Lösung aller 28 EU-Staaten bis zum Gipfel erscheint aber unwahrscheinlich.
 
Bei den Zurückweisungen geht es aus CSU-Sicht insbesondere um Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind. Diese sollen dann voraussichtlich ab Anfang Juli abgewiesen werden, wenn der EU-Gipfel Ende des Monats kein "wirkungsgleiches" Ergebnis einbringt. Die Vorbereitungen dafür will Seehofer nach eigenen Worten aber schon jetzt treffen. Als ersten Schritt will der Innenminister umgehend diejenigen Ausländer an den Grenzen abweisen lassen, die mit einer Einreisesperre oder einem Aufenthaltsverbot belegt sind.
 

Polizeigewerkschafter: Praxis sei"Stück aus dem Tollhaus"

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, bezeichnete die aktuelle Praxis, wonach auch Migranten mit Einreisesperre nach Deutschland kommen können, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur als "Stück aus dem Tollhaus". "Wer auch immer 'Asyl' sagen kann, kann einreisen", sagte er. Auch Seehofer sagte, es sei unerklärlich, dass Menschen mit Einreisesperre trotzdem einreisen könnten. "Im Grunde ist das ein Skandal."
 
FDP-Generalsekretärin Nicola Beer nannte die Übergangseinigung zwischen CDU und CSU einen "windelweichen Kompromiss". "Was uns beunruhigt, ist, dass offensichtlich die Regierungskrise nur vertagt ist auf den 1. Juli", sagte sie.
 
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