Trotz Kritik

Merkel wirbt für deutschen Atomausstieg

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Die Opposition lässt an der Kehrtwende kaum ein gutes Haar.

Begleitet von heftigen Vorwürfen der Opposition hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel den Atom-Ausstieg bis 2022 als gewaltige Herausforderung bezeichnet.  In einer Regierungserklärung im Bundestag begründete die Kanzlerin ihre Kehrtwende in der Atompolitik mit der veränderten Lage durch die drei Kernschmelzen in den japanischen Reaktoren. "Fukushima hat meine Haltung zur Kernenergie verändert", betonte die Physikerin Merkel. Die drei Oppositions-Fraktionen kritisierten, ihr Schwenk sei völlig unglaubwürdig.

Unaufrichtig
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Kanzlerin vor, unaufrichtig zu sein. "Eins werde ich nicht vergessen: Mit welchen Hetzreden Sie uns vor zehn Jahren durch die Lande gejagt haben", betonte er mit Blick auf die damalige Debatte über den rot-grünen Atom-Ausstieg. Der Fraktionschef signalisierte aber die Bereitschaft der SPD, die geplante Änderung des Atomgesetzes mitzutragen, da diese auf den rot-grünen Beschluss zurückgehe. Eine Zustimmung zu anderen Gesetzen zur Energiewende macht die SPD von der weiteren Prüfung abhängig.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierte die Ausbauziele von Union und FDP bei den erneuerbaren Energien als zu gering, lobte aber den Lerneffekt. "25 Jahre nach Tschernobyl zieht jetzt auch die CDU aus Fukushima Konsequenzen", sagte er. "Das ist spät, aber es ist richtig."

AKWs stilllegen
Acht Kernkraftwerke sollen nach dem Willen der Regierung sofort stillgelegt werden. Die anderen neun Atommeiler sollen schrittweise von 2015 bis Ende 2022 vom Netz gehen. Bisher hatte Atomstrom einen Anteil von rund 22 Prozent an der deutschen Stromproduktion.

Für Merkel ist die Energiewende hin zu mehr Ökostrom nur möglich, wenn Bürger und Parteien beim notwendigen Netzausbau mitziehen. Mit dem neuen Gesetz zum beschleunigten Ausbau des Elektrizitätsnetzes sollten Planungen beim Bund gebündelt und Anbindungen von Offshore-Windparks garantiert werden, sagte Merkel. Die Windkraft an Land und auf See soll Antreiber der Energiewende werden.

Marktfähig
Die erneuerbaren Energien sollten insgesamt schneller marktfähig werden, sagte Merkel. Die von den Verbrauchern über den Strompreis zu zahlenden Kosten sollen langfristig sinken. Die Regierung wolle bis 2020 einen Ökostrom-Anteil von 35 Prozent und bis 2050 von 80 Prozent. Der Stromverbrauch soll bis 2020 um zehn Prozent gesenkt werden. "Wir können als erstes Industrieland der Welt die Wende zum Zukunftsstrom schaffen", betonte die Kanzlerin.

Umweltminister Norbert Röttgen appellierte an die Grünen, die alten Schlachten hinter sich zu lassen. Die Regierung sei entschlossen, den gesellschaftlichen Konsens, den es in Deutschland gibt, zu realisieren.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler attackierte die Grünen, die sich nicht zur Unterstützung der Energiewende durchringen könnten: "Haben Sie etwa Angst? Weil vielleicht doch wieder ein bisschen die kleine, traurige Dagegen-Partei durchschimmert?" Nach Ansicht von Rösler kann deutsche Ökostrom-Technik zum Exportschlager werden. Die Strompreise würden moderat steigen. Das Wirtschaftsministerium kalkuliert mit einem Aufschlag von jährlich 30 bis 40 Euro pro Vier-Personen-Haushalt.

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