Polen: Anklage forderte acht Jahre Haft wegen Massaker in Danzig 1970

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Prozess wegen Niederschlagung des Arbeiterprotest in Schlussphase - Nur noch drei Personen auf der Anklagebank.

Die Staatsanwaltschaft in Polen hat am Mittwoch eine Haftstrafe von acht Jahren für alle drei Angeklagten im Prozess wegen der blutigen Niederschlagung des Streiks Danziger Werftarbeiter im Dezember 1970 gefordert, berichten polnische Medien am Donnerstag. Das ist die niedrigste mögliche Strafe für Mord. Der Staatsanwalt Bogdan Szegda begründete in seiner Anklagerede das niedrige Strafmaß mit dem Alter und dem Gesundheitszustand der Angeklagten.

Ursprünglich - als 1995 die Anklage beim Bezirksgericht in Gdansk (Danzig) eingereicht wurde -– hatte die Staatsanwaltschaft zwölf Personen als Verantwortliche für das Massaker belastet. Darunter war neben anderen der letzte Staatschef des kommunistischen Polen General Wojciech Jaruzelski, der 1970 Verteidigungsminister war, der damalige Vizeverteidigungsminister General Tadeusz Tuczapski und der damalige Innenminister Kazimierz Switala. Wegen Todesfällen oder Gesundheitsproblemen unter den Angeklagten wurde die Anklagebank allmählich immer schmäler. Vor Gericht stehen jetzt nur noch der damalige Vizepremier Stanislaw Kociolek und zwei ehemalige Befehlshaber der Truppen, die das Feuer gegenüber den Arbeitern eröffnet haben. Allen drei wird die leitende Täterschaft des Mordes vorgeworfen.

In Dezember 1970 hatte die kommunistische Regierung Polens drastische Preissteigerungen für Lebensmitteln bekanntgegeben, was eine Streik- und Demonstrationswelle an der polnischen Ostseeküste zur Folge hatte, die von der Miliz und Armeetruppen blutig niedergeschlagen wurde. Vom 14. bis zum 19. Dezember nahmen nach Schätzungen der Historiker Zehntausende Menschen an den Protesten teil. Dabei kamen nach offiziellen Angaben 45 Menschen ums Leben und 1.165 wurden verletzt. Zur Niederschlagung des Protestes nutzte die Regierung rund 27.000 Soldaten und 9.000 Milizionäre und Funktionären der Sicherheitsdienste. Auch Panzer, gepanzerte Militärtransporter und Kampfhubschrauber waren im Einsatz.

Der Staatsanwalt erklärte in seiner Rede, dass der Protest der Danziger Werftarbeiter am Anfang einen friedlichen Charakter hatte. Zur Steigerung der Spannungen und zur Ausbreitung der Demonstrationen auf andere Städte habe eine unangemessen scharfe und brutale Reaktion der Milizeinheiten geführt. Szegda betonte außerdem, dass keine der damals gültigen Militärvorschriften die Waffenbenutzung gegenüber der Protestierenden erlaubt habe.

Nach dem Massaker war der Erste Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) Wladyslaw Gomulka am 20. Dezember von einem Posten zurückgetreten.

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