Schweiz

Regierung für Atomausstieg bis 2034

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Die Laufzeiten für die fünf bestenden Akw sollen nicht verlängert werden.

Die Schweizer Regierung (Bundesrat) hat sich für einen Ausstieg aus der Atomenergie entschieden: In der Schweiz sollen nach seinem Willen keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden. Die bestehenden Atomkraftwerke vorzeitig abschalten will der Bundesrat aber nicht. Energieministerin Doris Leuthard sprach von einem "historischen Tag". Der Bundesrat habe sich den Entscheid nicht leicht gemacht, sagte sie vor den Medien in Bern. Er habe die Vor-und Nachteile der Atomenergie sorgfältig abgewogen.

Abwägung von Preis und Risiko
Ausschlaggebend für den Entscheid des Bundesrates war laut Leuthard sowohl das Risiko der Atomenergie als auch deren Preis. Das Restrisiko habe sich in Fukushima manifestiert, sagte die Energieministerin. "Wir mussten überlegen, ob wir damit leben wollen in der dicht bevölkerten Schweiz".

Hinzu komme, dass die Kernkraft immer teurer werde, während die Preise für erneuerbaren Energien sinken würden. Damit falle der komparative Vorteil der Atomenergie zunehmend weg. Aus diesen Gründen habe sich der Bundesrat für einen schrittweisen Ausstieg entschieden.

Kein fixes Datum
Ein fixes Datum hat die Regierung nicht festgelegt: Die Reaktoren sollen so lange laufen, wie sie sicher sind. Ob sie dies sind, soll das Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) entscheiden. Es sei an den Experten und nicht an der Politik, die Sicherheit zu beurteilen, sagte die Energieministerin.

Wann ein Atomkraftwerk das Ende seiner Lebensdauer erreicht hat, hängt laut Leuthard nicht zuletzt davon ab, wie viel die Betreiber noch investieren wollen. Der Bundesrat geht von einer Lebensdauer von rund 50 Jahren aus. Wenn die Sicherheit es erfordere, könne ein AKW auch früher abgeschaltet werden, sagte Leuthard. "Es können aber auch 60 Jahre sein".

Abschaltungen starten vielleicht schon 2019

Bei einer Betriebsdauer von 50 Jahren würde Beznau I 2019 abgeschaltet. Beznau II und Mühleberg würden 2022 folgen, Gösgen 2029 und Leibstadt 2034. Die Grünen streben mit einer Volksinitiative den Ausstieg bis 2029 an, die SP verlangt in einem parlamentarischen Vorstoß den Ausstieg bis 2025.

Für den Bundesrat kam ein vorzeitiger Ausstieg nicht infrage. Es gebe dafür keinen Grund, sagte Leuthard. Mit dem schrittweisen Ausstieg habe die Schweiz außerdem genügend Zeit für den Umbau der Stromproduktion.

Schweiz will mehr "Erneuerbare"
Der Bundesrat setzt dabei auf einen Mix aus zahlreichen Maßnahmen. Stark wachsen sollen die neuen erneuerbaren Energien wie Sonnen- und Windenergie. Der Bundesrat rechnet mit einer Zunahme von über 20 Terawattstunden (TWh) bis 2050.

Dies sei ein ambitiöses, aber realistisches Ziel, sagte Leuthard. Um es zu erreichen, prüft der Bundesrat verschiedene Optionen, darunter auch eine Förderabgabe auf Strom. Ausbauen will er ferner die Wasserkraft. Hier strebt er eine Zunahme von vier TWh an.

Vor allem aber will der Bundesrat mittels Effizienzmaßnahmen den steigenden Stromverbrauch stabilisieren. Er will dafür sorgen, dass der Verbrauch nicht - wie gemäß Wachstumsprognosen anzunehmen wäre - auf 90 TWh steigt, sondern sich bei 60 TWh einpendelt. Hier setzt er vor allem auf den technologischen Fortschritt. Geplant sind etwa strengere Gerätevorschriften.

Gas- und Wärmekraft als Zusatzoption

Falls dies nicht ausreicht, sind auch Gaskombikraftwerke und Wärmekraftkoppelungsanlagen eine Option. Wegen des CO2-Ausstoßes seien solche Anlagen aus klimapolitischen Gründen nicht die erste Wahl, doch werde es ohne sie kaum gehen, sagte Leuthard.

Vieles ist noch offen, der Bundesrat hat erst einen Grundsatzentscheid gefällt. Fest steht jedoch, dass die Strompreise steigen werden. "Der Ausstieg ist nicht zum Nulltarif zu haben", räumte die Energieministerin ein. Sie sei aber überzeugt, dass sich der Weg langfristig lohne.

Der Bund rechnet mit einer Preiserhöhung von rund 15 Prozent. Pascal Previdoli, Vizedirektor des Bundesamtes für Energie, gab allerdings zu bedenken, dass die Gesamtbelastung nicht so stark steige, weil dank der Effizienzmaßnahmen weniger Strom verbraucht werde.

Stromumbau kostet mehrere Milliarden
Den Umbau der Stromversorgung veranschlagt das Bundesamt für Energie auf insgesamt zwei bis vier Milliarden Franken (3,25 Mrd. Euro). Auch diese Zahl ist laut Leuthard aber mit Vorsicht zu genießen: Ein großer Teil soll in den Netzausbau fließen. Diese Kosten würden aber ohnehin anfallen, weil das Netz veraltet sei.

Als nächstes wird sich nun das Parlament äußern. In der Sommersession werden die Räte in Sonderdebatten über zahlreiche parlamentarische Vorstöße befinden. Dabei wird sich zeigen, ob sie den Kurs des Bundesrates stützen.

Der Bundesrat wiederum will noch in diesem Jahr die Eckpunkte für Gesetzesänderungen vorlegen. Im Sommer 2012 will er dann eine Vernehmlassungsvorlage präsentieren. "Heute haben wir die Weichen gestellt", sagte Leuthard.

Dies sei von großer Bedeutung. Hätte der Bundesrat sich die Option Kernenergie offen gehalten, hätte dies Investitionen in erneuerbare Energien verhindert. So aber könnten Arbeitsplätze geschaffen werden, und die Schweiz könne sich mit Zukunftstechnologien positionieren.

 

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