Verweigerung

Schweiz wegen Sterbehilfe-Fall verurteilt

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Regierung und Parlament wollen Sterbehilfe nicht regeln.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am heutigen Dienstag ein Urteil zur umstrittenen Sterbehilfe getroffen. Mit einer knappen Mehrheit von vier zu drei Stimmen urteile die Kammer des Gerichts, dass die Schweiz die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt habe, weil sie einer 82-jährigen Frau ein tödliches Medikament vorenthalten habe. Die Beschwerdeführerin wollte sich mit diesem Medikament selbst das Leben nehmen.

Wie es in einer Aussendung des Europarats vom Dienstag weiter heißt, sieht das Schweizer Recht nämlich keine ausreichend klaren Kriterien vor, wann der Erwerb eines solchen Medikaments rechtmäßig ist. Daher habe die Schweiz gegen Artikel 8 der Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) verstoßen. Die Richter wichen mit ihrem Urteil somit einer Entscheidung darüber aus, ob Sterbehilfe grundsätzlich zulässig ist. Bereits in früheren Entscheidungen hatte Straßburg eine solche Grundsatzentscheidung vermieden.

Das neue Urteil bedeutet, dass die Schweizer Behörden in der Frage der Sterbehilfe Farbe bekennen müssen. Bern muss nun nach Angaben der Schweizer Nachrichtenagentur sda gesetzlich regeln, ob und unter welchen Bedingungen Personen ohne tödliche Krankheit ein medikamentöser Suizid zu ermöglichen ist.

Bern will Sterbehilfe-Organisationen nicht gesetzlich legitimieren
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Schweiz am heutigen Dienstag aufgefordert, die umstrittene Frage der Sterbehilfe zu regeln. Innenpolitisch wurde dies in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiert, doch sprachen sich jüngst sowohl Regierung als auch Parlament gegen klarere Bestimmungen aus. Die derzeitigen Bestimmungen haben einen Graubereich geschaffen, der die Schweiz zur Destination für Sterbewillige gemacht hat.

So plante die frühere Schweizer Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf zunächst ein Gesetz, ließ den Entwurf aber nach dem Begutachtungsverfahren wieder in der Schublade verschwinden. Die jetzige Justizministerin Simonetta Sommaruga sagte im Sommer 2011 zur Begründung, dass neue Bestimmungen nur das geltende Recht konkretisieren würden. Aus Sicht der Schweizer Regierung wäre eine solche Übung nicht nur überflüssig, sondern auch nachteilig, weil sie die umstrittenen Suizidhilfeorganisationen gesetzlich legitimieren würde.

Schon nach geltendem Recht seien Missbräuche strafbar. So sei Sterbehilfe aus selbstsüchtigen Beweggründen verboten. Suizidwillige Personen müssen urteilsfähig und ausreichend informiert sein. Auch müsse der Sterbewunsch ohne Druck, wohlüberlegt und dauerhaft geäußert werden.

Exakte Kriterien für die Abgabe des tödlichen Medikamentes, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sie fordert, gibt es heute indes nicht. Die Entscheidung liegt letztlich bei den Ärzten, die ein Rezept für das tödliche Medikament ausstellen müssen.

Die Regierung hatte im Rahmen seiner Regulierungspläne zur Diskussion gestellt, Sterbehilfe nur noch für todkranke Personen zu erlauben. Dies war jedoch im Begutachtungsverfahren äußerst umstritten. Die Regierung habe ihre Pläne daraufhin verworfen. Auch im Parlament wurden diverse Vorstöße zur Regelung der Sterbehilfe abgelehnt. Im Nationalrat hoben bei der Beratung der Vorstöße im letzten Herbst fast alle Rednerinnen und Redner die Bedeutung der Selbstbestimmung hervor. Jeder Mensch müsse für sich selbst darüber entscheiden können, was für ihn ein würdiges Lebensende sei.

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