Syrien

So schützen sich ISIS-Kämpfer vor Luftangriffen

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Jihadisten fliehen in Netz aus Tunneln und Gräben - Treffen in Krankenhäusern.

Wenn beim Herannahen feindlicher Kampfflugzeuge in der syrischen IS-Hochburg Raqqa die Sirenen heulen, tauchen die Kämpfer des Islamischen Staats (IS) in den Untergrund ab. Die Jihadisten haben ein Netz aus Tunneln und Gräben angelegt, um sich vor den Luftangriffen zu schützen, wie Einwohner und Aktivisten berichten.

Auch sonst haben sie sich der Bedrohungslage angepasst, so dass mancher Angriff ins Leere geht: Ihre Ausbildungslager haben sie geräumt, einen Teil ihrer Kämpfer schickten sie in den Irak und ihre Versammlungen verlegten sie in Krankenhäuser.

Sirenen
"Die Sirenen, die überall auf den Dächern und in den Straßen installiert sind, alarmieren die Mitglieder des IS über einen drohenden Angriff", berichtet der Einwohner Taim Ramadan über die Lage in der Stadt, aus der sonst nur selten Nachrichten dringen. "Sobald sie die Sirenen hören, fliehen sie aus ihren Stellungen, verlassen ihre Fahrzeuge und rennen, um sich zu verstecken." Ramadan gehört zur Aktivistengruppe "Raqqa wird im Stillen geschlachtet", die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Verbrechen der Jihadisten zu dokumentieren.

Die Provinzstadt im Norden Syriens war Anfang 2014 in die Gewalt der IS-Miliz gefallen. Seitdem haben die Jihadisten Raqqa zu ihrer De-Facto-Hauptstadt gemacht. Für die Einwohner brachte dies doppeltes Leid: Zum einen unterwarfen die Radikalislamisten die Bevölkerung ihrer brutalen Auslegung des islamischen Gesetzes der Scharia. Männer wurden bei Verstößen hingerichtet, Frauen bei Ehebruch gesteinigt und Schwule ermordet. Zugleich flogen die ausländischen Gegner des IS massive Luftangriffe auf die Kleinstadt am Euphrat.

Bewohner leiden unter Bombardements
Nachdem lange die US-Luftwaffe den Kampf gegen die IS-Miliz angeführt hatte, verstärkten zuletzt auch Russland und Frankreich ihre Angriffe auf Raqqa, um Vergeltung zu üben für die Anschläge von Paris und die Explosion eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai. Doch während die Bewohner leiden, passen sich die IS-Kämpfer an: "Sie verstecken sich in unterirdischen Tunneln und haben ihre Stützpunkte in Wohnviertel verlegt", erzählt Abu Scham von "Raqqa wird im Stillen geschlachtet" via Internet der Nachrichtenagentur AFP.

Waffenlager in Wohnviertel
Auch Hisham al-Hashimi berichtet, die IS-Miliz habe Ausbildungscamps geräumt und Waffenlager in Wohnviertel verlagert. Der Experte für Jihadistengruppen sagt, die Jihadisten würden ihre Versammlungen in Krankenhäusern und Moscheen abhalten, weil sie wüssten, dass diese nicht bombardiert würden. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die sich auf ein Netz aus Aktivisten vor Ort stützt, meldet ebenfalls die Verlegung von Stützpunkten in dicht besiedelte Wohnviertel - obwohl das Völkerrecht dies verbietet.

Kleinere Fahrzeuge für Ölschmuggel

Nach Angaben der Beobachtungsstelle wurde die Brigade Tabuk, die vor allem aus Usbeken und Kaukasiern besteht, in die Stadt Kaim an der Grenze zum Irak verlegt. Nachdem Luftangriffe in Raqqa und Deir Essor hunderte Tanklastwagen zerstörten, stiegen die Jihadisten laut al-Hashimi außerdem beim lukrativen Erdölschmuggel auf kleinere Fahrzeuge um. Einem Bericht der "Financial Times" vom Oktober zufolge verdient die IS-Miliz bei einem Ölpreis von 45 Dollar (42,5 Euro) pro Barrel 1,5 Millionen Euro durch den Ölverkauf - pro Tag.
 

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