Im eigenen Haus

Texaner verschanzt sich seit 10 Jahren

Teilen

Verurteilter Waffennarr droht der Polizei: Wer das Grundstück betritt, stirbt.

Seit zehn Jahren harrt der ehemalige Bauarbeiter und Milizenführer John Joe Gray auf seinem eingezäunten 19-Hektar-Grundstück im US-Staat Texas aus. Dort gibt es weder fließendes Wasser noch Strom, dafür jede Menge Waffen. John Joe Gray wartet. Er wartet darauf, dass die Polizei einen zehn Jahre alten Haftbefehl gegen ihn vollstreckt. "Ich werde nie weggehen", sagt der Mann Anfang 60, der ein Pistolenhalfter mit Schusswaffe und Messer trägt.

Im Sommer 2000 machte Gray landesweit Schlagzeilen, weil er sich auf seinem abgelegenen Grundstück verschanzte, um einer drohenden Haftstrafe von maximal zehn Jahren zu entgehen. 1999 hatten ihn Polizeibeamte wegen zu schnellen Fahrens angehalten. In seinem Auto entdeckten die Polizisten mehrere Gewehre und regierungsfeindliches Material. Als sie Gray aus dem Wagen ziehen wollten, soll dieser einen der Beamten in die Hand gebissen und versucht haben, an dessen Waffe zu kommen. Er wurde festgenommen und kam später auf Kaution frei.

Drohung an die Polizei
Wenig später erhielten die Behörden einen Brief von Gray, wie der damalige Ermittler Gary Thomas sagte. Darin erklärte Gray, die Polizisten sollten "besser viele Leichensäcke mitbringen", wenn sie sein Grundstück stürmten. Der Sheriff Ray Nutt sagte, die Beamten hätten damals keine Schießerei riskieren wollen, bei dem womöglich Polizeibeamte und auf dem Grundstück lebende Kinder getötet würden.

Während er sich vor der Polizei verschanzte, machte sich Gray einer weiteren Straftat schuldig: Seit 1995 hat er keine Steuern bezahlt. Er wurde zu einer Nachzahlung von 12.700 Dollar (knapp 10.350 Euro) verdonnert. Doch das Dokument Gray persönlich zu übermitteln sei zu gefährlich, sagte Nutt. Also muss die Steuerbehörde warten. "Uns sind die Hände gebunden", sagte Anna Marie Fontana von der Kanzlei, den Bezirk in der Steuersache vertritt.

"Kein Gefangener"
Obwohl Gray bisher einer Verhaftung entgangen ist, hat er nach Ansicht von Staatsanwalt Lowe gewissermaßen Selbstjustiz geübt. "Er steht faktisch seit zehn Jahren unter selbst auferlegtem Hausarrest, und die Höchststrafe für seine Vergehen betrug zehn Jahre", sagte Lowe.

"Ich fühle mich nicht wie ein Gefangener, denn ich lebe hier draußen und befolge die Gebote Gottes," sagte Gray, der ehemalige Anführer einer texanischen Miliz. Vor zehn Jahren waren Milizmitglieder seinem Internetaufruf an "alle Patrioten" gefolgt, um 24 Stunden am Tag den Eingang zu seinem Grundstück zu bewachen. Vor geraumer Zeit sind sie wieder abgezogen.

Familie setzt auf Selbstversorgung
Anfangs hatte Gray selbst gemalte Schilder an Zäunen und Bäumen auf seinem Grundstück angebracht, die inzwischen verblasst sind. "Ungehorsam gegenüber Tyrannei ist Gehorsam gegenüber Gott!", ist dort unter anderem noch zu lesen. Gray schrieb sogar - in Erwartung einer Polizeirazzia - "Kinder im Haus" auf ein Schild.

Der hagere Gray und seine Familie leben mittlerweile unauffällig in einer Hütte und einem Wohnwagen auf ihrem Grundstück und wollen in Ruhe gelassen werden. Sie trinken Wasser aus einem Brunnen, essen Gemüse aus Eigenanbau und Fische aus dem Fluss, der an ihr Land grenzt. Und sie tragen stets Pistolenhalfter. Aber den Eingang zu ihrem Anwesen bewachen sie mittlerweile nicht mehr.

Angst vor Jahrtausendwende
Nicht nur die Polizei will, dass Gray sich stellt, auch sein ehemaliger Schwiegersohn hofft darauf. Keith Tarkington hat seine zwei Söhne seit 1999 nicht mehr gesehen, als seine damalige Frau, Grays Tochter, mit den Kindern zu Gray zog. Der sei zunehmend paranoid geworden und habe verlangt, dass alle Familienmitglieder bis auf Tarkington zu ihm zogen und sich auf die Jahrtausendwende vorbereiteten, erklärte Tarkington.

Das letzte Mal, als er seine Söhne gesehen habe, seien sie Kleinkinder gewesen, sagte Tarkington. Mittlerweile seien sie 14 und fast 13 Jahre alt. "Ich frage mich, wie sie jetzt aussehen. Sind sie Links- oder Rechtshänder?"

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.