Türkische Polizei:

Wasserwerfer & Tränengas gegen Proteste

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Die türkische Polizei ging mit aller Härte gegen die Demonstranten vor.

Unterstützer der regierungskritischen Zeitung "Zaman" protestierten vor dem Redaktionsgebäude. Am Samstagnachmittag setzte die Polizei Tränengas, Wasserwerfer und Gummigeschosse gegen rund 500 Demonstranten ein.

Demonstrationen
Am Freitag wurde die Zeitung der Gülen-Bewegung unter Zwangsverwaltung gestellt. Doch "die freie Presse kann nicht zum Schweigen gebracht werden", waren sich die Demonstranten einig.

Bevor die Polizei kurz vor Mitternacht die Redaktion besetzte, konnte "Zaman" noch die Samstagsausgabe produzieren. Viele der protestierenden Menschen hielten heute diese Ausgabe mit dem Titel "Die Verfassung ist ausgesetzt" hoch. Um die Menschenmenge auseinanderzutreiben, setzte die Polizei auch in der Nacht schon Wasserwerfer und Tränengas ein.

Arbeit wieder aufgenommen
Unter staatlicher Kontrolle konnte die Redaktion der Zeitung nun ihre Arbeit wieder aufnehmen. In den sozialen Netzwerken veröffentlichten "Zaman"-Mitarbeiter am Samstag Fotos, die bewaffnete Spezialeinheiten dabei zeigen, wie sie das abgesperrte Redaktionsgebäude bewachen.

Die Zeitung "Zaman" gehört der Hikmet-Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen an, der seit 1999 im Exil in den USA lebt. Einst war er mit Präsident Recep Tayyip Erdogan verbündet, doch nun wirft dieser ihm vor, die Regierung stürzen zu wollen.

Scharfe Kritik
EU-Politiker äußerten scharfe Kritik an dem Vorgehen gegen die Zeitung, das erfolgte, während EU-Ratspräsident Donald Tusk zu Gesprächen in Istanbul war. Als EU-Beitrittskandidat müsse die Türkei auch die Pressefreiheit respektieren, erklärte der EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn am Samstag. Das Vorgehen der Behörden gefährde auch "die Fortschritte der Türkei auf weiteren Gebieten". Ähnlich äußerte sich EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bezeichnete das Vorgehen gegen "Zaman" auf Twitter als "weiteren Schlag gegen die Pressefreiheit in der Türkei" und kündigte an, die Frage anlässlich des EU-Türkei-Gipfels am Montag zur Sprache zu bringen. "Die Türkei ist dabei, eine historische Chance der Annäherung an die Europäische Union zu verspielen", warnte Schulz im "Tagesspiegel am Sonntag".

"Beunruhigende Serie"
Bilal Baltaci, Redakteur bei der Österreich-Ausgabe von "Zaman", sagte angesichts des Tusk-Besuchs in Ankara am Freitag der APA: "Es ist beschämend für die EU, wenn in Ankara Verhandlungen geführt werden und gleichzeitig in Istanbul von der Polizei eine Redaktion gestürmt wird und niemand ein einziges Wort darüber verliert, weil man auf die Unterstützung von Erdogan angewiesen ist."

Auch die US-Regierung sprach von einer "beunruhigenden Serie" des Vorgehens gegen Medien und Regierungskritiker in der Türkei und erinnerte daran, dass Meinungs- und Pressefreiheit in der Verfassung festgeschrieben seien. Die Behörden müssten dafür sorgen, dass ihre Handlungen im Einklang mit der Verfassung stünden, mahnte Außenamtssprecher John Kirby.

Klare Worte zur Pressefreiheit gefordert
Die Organisation Reporter ohne Grenzen forderte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, beim EU-Türkei-Gipfel am Montag in Brüssel klare Worte zur Pressefreiheit zu finden. "Von diesem Gipfel darf nicht das verheerende Signal ausgehen, dass die EU über jede Menschenrechtsverletzung hinwegsieht, wenn es um Zugeständnisse in der Flüchtlingspolitik geht", heißt es in einer Erklärung.

"Zaman" ist das Flaggschiff der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen. Der seit 1999 in den USA lebende Geistliche gehörte lange zu Erdogans Unterstützern, überwarf sich aber vor einigen Jahren mit dem heutigen Präsidenten. Erdogan wirft Gülens Hizmet-Bewegung Umsturzpläne vor, was Gülen zurückweist. Die Hizmet-Bewegung wurde von Ankara inzwischen als "terroristische Vereinigung" eingestuft.

Kein Einzelfall
In den vergangenen Monaten waren die türkischen Behörden bereits gegen andere Medien aus dem Umfeld der Gülen-Bewegung vorgegangen. Laut der Nachrichtenagentur wurde "Zaman" unter Zwangsverwaltung gestellt, weil sie eine "Terrororganisation" unterstützt habe.

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