Brand im 89. Stock

Wie sicher ist das neue "World Trade Center" wirklich?

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Böse Erinnerungen an den 11. September wurden in New York wach.

Statt Terroristen bedrohten diesmal Sperrholzplatten Amerikas symbolträchtigsten Wolkenkratzer: Das ominöse Sirenengeheul erfüllte Samstagmorgen wieder die Straßenschluchten rund um "Ground Zero", als 20 Löschwagen mit 80 FDNY-Feuerwehrleuten zum neuen WTC-Turm rasten.

Im 89. Stock des nun 104. Etagen hohen Rohbaus am Tatort des 11. September fingen Holzplanken Feuer. Doch erst zwei Stunden später war der Brand gelöscht. Das Problem, das sich nun in einen kleinen Skandal auswächst: Die Brandbekämpfer brauchten über eine Stunde, um die Wasserversorgung für die Löscharbeiten herzustellen. Denn die vertikale Standleitung, die Löschwasser in Hochhäusern bereitstellt, war trocken. Dass sich das Feuer nicht in ein Inferno ausweitete und New York eine internationale Blamage beim prestigeträchtigen Wiederaufbau des "World Trade Center" erspart bleib, ist wohl Bauarbeitern zu verdanken, die mit primitiven Feuerlöschern eine Ausbreitung verhinderten.

Experten schüttelten den Kopf: "Wir sind einer Katastrophe entgangen", sagte "John Jay College"-Feuerexperte Glenn Corbett zur NY Post. Obwohl Rohbauten selten über eine komplett funktionale Wasserversorgung verfügen, hätte die Standleitung im 1 WTC wenigstens zwei Drittel der Bauhöhe gefüllt sein sollen, so Corbett.

Die Schrecksekunde erinnert frappant an die Tragödie beim Abriss der Deutschen Bank 2007: Damals brach ein Inferno im 14. Stock aus, auch damals war die Standleitung trocken. Zwei Feuerwehrleute erstickten, als sie sich in der Rauchhölle verirrten.

Gefragt wird nun auch: Wie sicher ist - trotz aller Beteuerungen - das am Ende 541 Meter hohe Gebäude wirklich? Die Bauherren der "Port Authority" lassen keine Gelegenheit aus, die einzigartigen Sicherheitsmaßnahmen in New Yorks nun ikonischstem Gebäude zu preisen. Klar ist: 1 WTC ist natürlich nicht nur ein potentielles Terrorziel, sondern wird die Top-Touristenattraktion des Big Apple. Die Aussichtsplattform im 104. Stock bietet einen spektakulären Ausblick über Manhattan, der Brooklyn Bridge bis zur Freiheitsstatue, die ich kürzlich selbst bei einer Tour zur Turmspitze bewundern konnte. Investitionen in die Sicherheit machten den Turm drei Milliarden Dollar teuer und an sich zur vertikalen Trutzburg: Der härteste Beton wurde verwendet, die Wände der Liftschächte sind 90 Zentimeter dick, ein eigener Fahrstuhl ist für Rettungskräfte reserviert.

Deshalb ist das Feuer vom Wochenende auch so peinlich. Was viele, die in Hochhäusern arbeiten, verdrängen und die Erbauer nicht gerne an die große Glock hängen: Ohne funktionierende Standleitung sind Hochhausbrände kaum zu löschen. So sehr sich die Bilder der in die brennenden "Twin Towers" laufenden Helden-Feuerwehrleute auch ins Weltgedächtnis brannten: Sie hätten gegen das Inferno nichts ausrichten können, auch wenn die Türme nicht eingekracht wären. FDNY-Captain Jay Jonas, der den Einsturz des Nordturms überlebte, erzählt mir einmal ganz trocken: "Ohne interne Wasserversorgung durch die Standleitung ist in solchen Hohen nichts zu machen..." Zu der grandiosen Aussicht vom 1 WTC dürfte sich daher ein mulmiges Gefühl mischen.

Mehr von unserem US-Korrespondenten Herbert Bauernebel finden Sie hier auf : www.AmerikaReport.com

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