ÖSTERREICH-Reporter

Wendl: "So erlebe ich Gaddafis Ex-Reich"

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Das Leben funktioniert wieder, doch die Angst vor einer Giftgasattacke ist groß.

Dienstag, knapp nach 21 Uhr. Ich erreiche das befreite Benghazi. Die zweitgrößte Stadt Libyens, die Hochburg des Aufstands gegen Gaddafi, ist ruhig, einige Läden sind sogar offen. Vor der Stadt ein letzter Checkpoint, besetzt mit bewaffneten Zivilisten.

In der Nacht davor bin ich von der ägyptischen Grenze aufgebrochen. Nur einigen Orten ist mein Fahrer ausgewichen. „Zu gefährlich.“ Auf der vierspurigen von der Strabag mitgebauten Küstenstraße zeigen die zerbombten Kasernen und ausgebrannten Polizeistationen, dass hier gerade Geschichte geschrieben wurde.

Und die Tausenden Menschen, die mir seit der Grenze entgegenströmen. Flüchtlinge, die alles mitschleppen, was sie tragen können, und in den bitterkalten Nächten in notdürftigen Zelten frieren. Seit einigen Tagen werden sie besser versorgt. Vor allem die Franzosen bringen Medikamente und Hilfsgüter von Ägypten aus in den östlichen Teil Libyens.

In den befreiten Städten erwacht wieder das Leben
Erste Station Tobruk. Der zentrale Platz heißt seit Kurzem „Platz der Märtyrer“. Wie viele hier bei der Befreiung gestorben sind, kann keiner genau sagen. „Ein Dutzend, höchstens zwei“, sagt Dr. Said (38). Er hat in Köln studiert und ist jetzt Kinderarzt in Tobruk. Er hat in den letzten Tagen rund um die Uhr gearbeitet.

Für ihn hat es sich gelohnt. „Es gibt kein Zurück mehr zum Regime“, sagt er: „Auch dann, wenn Gaddafi uns alle abschlachtet.“

Es ist wieder ein wenig Normalität eingekehrt in Tobruk. Sogenannte Volkskomitees haben sich gebildet. Sie überwachen die Straßen, Krankenhäuser, die Schulen und die Geldausgabestellen, bei denen alle, die momentan keine Arbeit haben, einen Kredit in der Höhe von umgerechnet 400 Dollar erhalten.

In dem kleinen Café beim Krankenhaus sehen alle Al Jazeera. Gerade läuft das ABC-Interview mit Gaddafi. Sie können schon wieder lachen über ihn. Besonders als er sagt, das Volk liebe ihn. Und als er alle Rebellen als Al-Kaida beschimpft. „Sehen Sie mich an“, sagt Dr. Said: „Schau ich aus wie ein Terrorist?!“

Die Angst vor Gaddafi ist aber nach wie vor allgegenwärtig. Alle fürchten einen finalen Schlag Gaddafis, der nichts mehr zu verlieren hat. Gaddafi könnte die Giftgas-Bestände gegen die eigene Bevölkerung einsetzen. Nach wie vor lagern 9,5 Tonnen des tödlichen Senfgases in der Nähe von Tripolis um Wazin und Nalut.

Zwar beruhigen Experten, Libyen würden die nötigen Sprengköpfe fehlen, doch kann Senfgas auch aus Flugzeugen abgeworfen werden.

Die US-Marine rückt 
immer näher auf Libyen zu
Deshalb wälzen die USA und Großbritannien auch Pläne eines Flugverbots über Libyen. Das würde de facto aber Krieg bedeuten.

Die Anzeichen einer Intervention der USA mehren sich. Im Golf und im Arabischen Meer haben die USA zwei Flugzeugträger im Einsatz; die USS Enterprise und die USS Kearsarge bewegen sich derzeit durch den Suezkanal in Richtung Libyscher Küste. Die USS Mount Whitney liegt in der Nähe von Neapel, jederzeit einsatzbereit.

Doch hier in Benghazi wollen das die Menschen nicht. „Wir wollen uns selbst befreien“, sagen sie und: „Wir werden mit dem Irren alleine fertig.“

Karl Wendl

Seite 2: Österreichische Firma belieferte libysches Militär

Austro-Waffen für Gaddafi

Österreichische Firma belieferte libysches Militär

Eine Wiener Neustädter Firma soll Kriegsgerät nach Libyen verkauft haben. Das Außenministerium prüft jetzt den heiklen Deal.

Wien. Bei der Niederschlagung der Proteste in Libyen kommen auch österreichische Waffen zum Einsatz: Laut Grünen-Abgeordneten Peter Pilz hat eine Wiener Neustädter Firma im Jahr 2009 Kriegsmaterial nach Libyen geliefert.

Konkret soll die Firma Schiebel, bekannt als Weltmarktführer für Minensuchgeräte, vier unbemannte Helikopter im Wert von über 7 Mio. Euro an die 32. Brigade des libyschen Militärs verkauft haben. Diese Truppe, nach Gaddafis Sohn „Khamis-Brigade“ benannt, gilt als gefürchtete Eliteeinheit und ist die Leibgarde des Diktators.

15 % Provision
Vermittelt haben soll den Deal ein Pizza-Betreiber syrischer Abstammung aus Wien. Dafür und für acht weitere Drohnen, die noch nicht ausgeliefert sind, wurden 15 % Provision vereinbart.

Die 220 km/h schnellen „Camcopter“ können auch leichte Lasten tragen, etwa Lenkraketen oder Rauchgranaten. Diese Drohnen kreisen laut Pilz derzeit über den Demonstranten in Misurata, der drittgrößten Stadt Libyens.

Illegal
Laut Pilz widerspreche der Deal dem Kriegsmaterialgesetz, da der Verkauf nicht genehmigt worden sei. Das Außenministerium überprüft nun den Export und kündigte allfällige Konsequenzen an. Die Firma Schiebel zumindest bestätigte gestern, vier „Camcopter“ S-100 nach Libyen geliefert zu haben.

Eine weitere Lieferung wird allerdings dementiert: „Sie hat weder stattgefunden noch war bzw. ist eine solche geplant.“ Auch habe die Lieferung nicht gegen Ausfuhrbestimmungen verstoßen, denn es habe sich nicht um „Kriegsmaterial“ gehandelt.

(jem)

Seite 3: Gaddafi-Geld wird gesperrt

Libyen-Firmen in Österreich im Visier

Gaddafi-Geld wird gesperrt

Nationalbank veröffentlicht Liste mit Namen des Gad­dafi-Klans, der Konten in Österreich haben soll.

Eine OeNB-Verordnung weist die heimischen Banken an, die 1,2-Milliarden-Euro-Konten des Gaddafi-Klans und seines Umfelds zu sperren. 26 Personen, darunter Gaddafis Söhne Saif und Hannibal, sind erfasst – wollen sie in Österreich Geld beheben, wird Alarm ausgelöst.

Auch libysche Firmen in Österreich könnten nun ins Visier geraten. Gaddafis Business-Statthalter in Wien ist Ex-Premierminister Shokri Ghanem, der nun Chef des Öl-Imperiums ist. Ghanem soll in einem engen Freundschaftsverhältnis zu Saif Gaddafi stehen, gilt allerdings als Reformer. In seinem Einflussbereich steht die Beratungsfirma Sebdco Consulting. Auch die staatliche libysche Tankstellenkette Tamoil verfügt über einen Repräsentanten in Wien: Jamal Bahelil.

F. Horcicka

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