Ausgesetzte Kinder

Begingen Raben-Eltern Selbstmord?

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Das älteste der Kinder ist sechs Jahre alt. Ihre Eltern ließen sie einfach in einer Pizzeria sitzen. Die Polizei schließt einen Selbstmord des Paares nicht mehr aus.

Alles sah nach einem harmonischen Familienurlaub im italienischen Aosta-Tal aus, als ein junges Paar mit drei Kindern anreiste. Doch dann kam alles anders. Die 26-jährige Mutter aus Finnentrop im Sauerland und ihr 24 Jahre alter Freund werden inzwischen von der Polizei gesucht. Denn sie ließen die Kinder - zwei Buben im Alter von zehn Monaten und sechs Jahren sowie ihre vier Jahre alte Schwester - am Sonntagabend in einer Pizzeria im norditalienischen Aosta allein zurück.

Selbstmord befürchtet
Seitdem fehlt von dem Paar jede Spur. Die Polizei vermutet, dass die beiden in finanziellen Schwierigkeiten sind. Die Beamten befürchten eine Verzweiflungstat des Paares.

Leiblicher Vater im Knast
Der leibliche Vater der Kinder wurde 2006 zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er eine vierte Tochter so sehr geschüttelt hatte, dass sie starb. "Der Mann verbüßt eine Haftstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in Siegen.

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Die Pizzeria von außen. Foto: (c) AP

Die Kinder waren noch am Sonntagabend im Krankenhaus untersucht worden. Gesundheitlich sind sie demnach gut beieinander. Inzwischen sind sie in der Obhut des Sozialdienstes der italienischen Stadt. "Wir haben außerdem über Interpol die Großeltern ausfindig gemacht, die jetzt auf konsularischem Weg das Sorgerecht beantragen können", sagte der Polizeichef von Aosta, Alessandro Carmeli. Im Moment liege die Zuständigkeit allerdings beim Jugendgericht von Turin, da die Kinder in Italien ausgesetzt wurden.

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Die Inhaber der Pizzeria: Carmelo und Francesco Casella. Foto: (c) AP

Kinder kommen zurück nach Deutschland
Das Amtsgericht Lennestadt hat bereits am Dienstag zunächst dem Jugendamt in Olpe die Vormundschaft über die beiden Buben und die Schwester übertragen. "Wir haben grünes Licht von den italienischen Behörden. Am Donnerstag fahren zwei Mitarbeiter des Jugendamtes nach Italien", sagte ein Sprecher der zuständigen Olper Kreisverwaltung am Mittwoch. Die Kinder sollen dann am Freitag wieder ins heimische Sauerland kommen.

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In diesem Hotel checkte das Paar ein. Angeblich war die hinterlegte Kreditkarte nicht gedeckt. Foto: (c) AP

Kein Sprit mehr
Wie die Polizei feststellte, hatten die Eltern ihren Wagen kurz nach der Autobahnausfahrt Aosta stehen lassen, nachdem ihnen der Sprit ausgegangen war. Sie waren ohne Gepäck unterwegs gewesen. "Mir kam das schon so komisch vor am Sonntagabend. Die Kinder waren viel zu leicht bekleidet, ohne Jacke und ohne Schirm sind sie in die Pizzeria gegangen, und es regnete doch", sagte der Wirt der Deutschen Presse-Agentur dpa. "Mami geht nur eine Zigarette rauchen", soll die Mutter zu ihren Kindern gesagt haben, bevor sie verschwand.

Rauchend vor dem Eingang
Die Angestellten des Restaurants sahen das Pärchen noch etwa eine Viertelstunde rauchend vor dem Eingang, dann war plötzlich keiner mehr da. Während die Kinder fröhlich weiter aßen, fingen die Mitarbeiter an zu suchen - auf der Toilette, auf dem Parkplatz. "Wir konnten uns schlicht nicht vorstellen, dass die beiden Erwachsenen die Kinder einfach so zurückgelassen haben", sagte der Pizzabäcker. Nach einiger Zeit habe man die Polizei alarmiert.

Tagebuch
"Wenn du willst, zeig ich dir, wo Mamis Auto ist", soll der Sechsjährige zu der einzigen Deutsch sprechenden Polizistin gesagt haben. Mit Hilfe des Buben finden sie den verlassenen Ford Fiesta. In der zurückgelassenen Handtasche stoßen die Beamten auf einen Zimmerschlüssel des Hotels. Gefunden wird auch ein Tagebuch. "Den Aufzeichnungen konnten wir entnehmen, dass die beiden sich in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten befunden haben müssen", erklärte Carmeli. Noch schlimmer sei allerdings, dass aus dem Text Selbstmordabsichten hervorgingen. Die Beamten gehen nun von einer Verzweiflungstat aus.

"Sie wirkten wie das klassische junge Paar mit ihren hübschen Kindern." Ezio Gevroz kann es noch immer nicht fassen. In seinem "Hotel Joli" in Aosta war die Familie, die sich nach Medienangaben schon seit dem 14. April in Italien aufhielt, am Samstagabend untergekommen. "Erst als ich am Sonntag feststellen musste, dass ihre Kreditkarte leer ist, kamen mir Zweifel, aber sie wollten ja bis Montag bleiben."

Suche bislang ohne Erfolg
Der italienische Zivilschutz leitete in der Region Aostatal Suchmaßnahmen ein, vor allem entlang der zahlreichen Wasserläufe - bisher ohne Erfolg. Ein italienischer Zugbegleiter will den 24-Jährigen erkannt haben. Er habe ihn am Dienstagnachmittag in dem von Verona nach München fahrenden Zug erkannt, sagte er den Ermittlern, wie italienische Medien am Mittwoch berichteten.

Der Mann habe einen Fahrschein für Innsbruck gehabt und einen zweiten für die ihn begleitende Frau gekauft. Die junge Begleiterin des Mannes hat der Bahnbeamte auf einem Foto jedoch nicht als die 26-jährige Mutter wiedererkannt. Die Ermittler prüfen die Angaben, hieß es. Die Kinder geben ihre Hoffnung nicht auf: "Mami wird bald wieder da sein", hatte der Älteste Sonntagnacht seine kleine Schwester beruhigt.

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