Protest

Einwanderer besetzten Kräne in Brüssel

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Rund 30 Menschen haben mehrere Baukräne im Zentrum von Brüssel besetzt. Sie fordern, legal in Belgien leben zu dürfen.

Sie stehen in schwindelnder Höhe und geben ein Signal der Verzweiflung. Rund 30 Menschen haben mehrere Baukräne im Zentrum von Brüssel erklommen, hungern, dursten und fordern gültige Papiere. "Wir sind gegen selbstmörderische Aktionen", sagt die Unterstützerin Bénédicte Eberhart am Fuß der Kräne. "Aber die Leute haben den Eindruck, dass erst jemand sterben muss, bevor sich die Einwanderungsministerin um ihr Schicksal kümmert."

Hitzige Debatte
An Hungerstreiks und besetzte Kirchen hat sich die belgische Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren fast gewöhnt. Die Berichte von ertrunkenen Schiffbrüchigen an Europas Küsten schaffen es kaum noch auf die Titelseiten der Zeitungen. Doch die lebensgefährliche Aktion der jüngsten Tage heizt die Debatte wieder an: Wie soll Belgien, wie soll Europa mit den Zehntausenden Einwanderern umgehen, die oft seit Jahren ohne gültige Papiere im Land leben?

Teilweise schon 15 Jahre in Belgien
Einige der Brüsseler Kranbesetzer, die seit Sonntag sengender Sonne und Gewitterregen trotzen, haben bereits drei Wochen Hungerstreik hinter sich. "Manche sind schon länger als 15 Jahre in Belgien", erzählt Eberhart. "Manche haben Kinder oder Eltern hier" - und versuchen seit langem, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. "Es sind Leute, die hier arbeiten - meistens schwarz und unter ausbeuterischen Bedingungen", sagt die Unterstützerin.

Vergangene Woche waren es noch zwei Männer und eine Frau aus dem Iran, die einen Kran vor der Ausländerbehörde in Brüssel besetzten. Am Sonntag kletterten sieben Hungerstreikende, die vorher Gebäude der Brüsseler Universität besetzt hielten, auf drei Kräne einer Baustelle für ein Kasino mit Lagengalerie und Luxushotel im Zentrum. Andere schlossen sich spontan an. Und am Dienstag kam es auch zu der Besetzung eines Krans mitten im Europaviertel.

EU-Staaten beraten
Wenige Schritte von dort entfernt hatten die Innenminister der 27 EU-Staaten noch am Donnerstag über den richtigen Umgang mit illegal Eingewanderten beraten. Der Ratsvorsitzende und französische Migrationsminister Brice Hortefeux strebt eine "ausgewählte Einwanderung" an: In Europa benötigte Fachkräfte sollen für begrenzte Zeit kommen, zugleich werden die Grenzen streng überwacht und Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung zurückgeschickt.

Acht Millionen Illegale
Doch diese Vorstellung stößt - nicht nur in Belgien - auf praktische Probleme. EU-Schätzungen zufolge leben bereits rund acht Millionen Menschen illegal in den 27 Mitgliedstaaten. Viele kamen auf der Flucht vor Verfolgung, Hunger oder wirtschaftlicher Not nach Europa. Manche nahmen den lebensgefährlichen Weg über das Meer. Die Mehrzahl reiste ganz legal mit einem Visum ein und blieb nach dessen Ablauf einfach da. Und viele werden in Europa gebraucht.

Wollen legal arbeiten
Die Brüsseler Kranbesetzer haben nach Angaben ihrer Unterstützer zuvor als Maurer und Monteur, Maler und Elektriker, Schneider, Bäcker oder Friseur gearbeitet. Sie wollen das weiter tun, aber legal. Die Ausländerbehörde hat anderen Hungerstreikenden in Belgien zwar schon Aufenthalt und Arbeit zeitweise erlaubt. Die Kriterien dafür schienen aber willkürlich. "Wir wollen ein Gesetz mit klaren Regeln", fordern Einwanderer und Aktivisten wie Eberhart.

Auf EU-Ebene wird schon seit Jahren über gemeinsame Regeln debattiert. In Belgien hat die Regierung zwar ein Rundschreiben von Migrationsministerin Annemie Turtelboom versprochen. Die Politiker der Fünf-Parteien-Koalition konnten sich jedoch nicht wie geplant auf Leitlinien einigen - und verabschiedeten sich vergangenen Woche unverrichteter Dinge in den Sommerurlaub.

Foto: (c) Reuters

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