Fahndungserfolg in D

Erster Ausbrecher gefasst

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Heckhoff ging der Polizei ins Netz. Michalski ist noch auf der Flucht.

Nach gut drei Tagen auf der Flucht ist einer der beiden hochgefährlichen Gefängnisausbrecher von Aachen am Sonntagvormittag in Mülheim an der Ruhr gefasst worden. Ob es bei der Festnahme in Mülheim Verletzte gab, konnte eine Polizeisprecherin nicht sagen. Auch die Hintergründe des Zugriffs waren zunächst noch nicht klar. Am Nachmittag kursierte eine Meldung, wonach auch der zweite Flüchtige, Peter Paul Michalski, gefasst worden sein sollte. Die Polizei meldete eine Festnahme in Essen, wollte aber nicht definitv bestätigen, dass es sich bei dem Gefangenen um den gesuchten Mörder handelte. Es stellte sich aber heraus, dass es sich nicht um Michalski handelte.

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Das Fluchtauto / (C) AP

Um 11:03 klickten die Handschellen
Nach Polizei-Angaben wurde der 50-jährige wegen Geiselnahme verurteilte Michael Heckhoff am Sonntag um 11.03 Uhr von einem Spezialeinsatzkommando in Mülheim in der Nähe des Orts festgenommen, wo Passanten gegen 10.15 Uhr den Fluchtwagen entdeckt hatten. Heckhoff hielt sich in der Nähe auf. Der wegen Mordes verurteilte 46-jährige Peter Paul Michalski setzte seine Flucht fort. In Mülheim hat nach den Erkenntnissen der Polizei zumindest einer der beiden Ausbrecher "persönliche Bezüge".

 

Ehepaar zehn Stunden als Geiseln gehalten
Sie duschten, aßen, sahen fern und fühlten sich fast wie zu Hause: Auf ihrer Flucht vor der Polizei haben Michalski und Heckhoff am Samstag ein Essener Ehepaar mehr als zehn Stunden in ihrer Gewalt gehabt. Die Polizei Köln veröffentlichte am Sonntagabend weitere Einzelheiten der Geiselnahme.

Danach drangen der inzwischen gefasste Heckhoff und der noch flüchtige Michalski am Samstag in der Früh gegen 8.00 Uhr in Essen-Werden in das Haus des Ehepaares ein. Dort verbrachten sie den ganzen Tag bis zum Einbruch der Dunkelheit. Das Duo habe den Mann (56) und seine Ehefrau (53) mit Hilfe von Schusswaffen aufgefordert, ruhigzubleiben und nicht die Polizei zu verständigen.

Dusche und Fernseher
"Sie aßen und tranken, guckten Fernsehen, duschten, zogen sich um, und einer der beiden schlief ein paar Stunden", hieß es im Polizeibericht. Die Gangster hätten die Eheleute nach deren Angaben nicht körperlich attackiert, wohl aber mit Gewalttätigkeiten bedroht, falls sie die Polizei rufen sollten.

Gegen 17.30 Uhr ließen sie sich von den Eheleuten in deren BMW nach Mülheim fahren. Dort setzten sie die beiden rund eine Stunde später ab und fuhren weiter. Das Essener Ehepaar blieb unverletzt. "Es ist wohlauf und wird bei Bedarf psychologisch betreut", teilte die Polizei mit.

Polizei warnt Bevölkerung
Ein Polizeisprecher warnte die Bevölkerung zugleich eindringlich vor Sensationstourismus. Es solle sich niemand bemüßigt fühlen, in die Gegend zu fahren. Seit Tagen warnen die Ermittler die Bevölkerung, bei aller nötigen Aufmerksamkeit bei der Fahndung sich nicht selbst in Gefahr zu bringen: "Die beiden haben nichts zu verlieren. Sie sind nicht so nett und sympathisch, wie sie auf den Fahndungsbildern wirken. Sie sind alles andere als nett. Sie sind brandgefährlich". Sowohl gegen den verurteilten Mörder Michalski als auch gegen den verurteilten Geiselgangster Heckhoff war Sicherungsverwahrung verhängt worden, so dass sie auch nach Verbüßung ihrer Haftstrafen nicht auf freien Fuß gekommen wären.

Angst und Schrecken
Seit ihrer Flucht aus dem hochgesicherten Gefängnis in Aachen hatten die Schwerverbrecher die Menschen in Nordrhein-Westfalen in Angst und Schrecken versetzt und die Fahnder der Polizei immer wieder genarrt. Die beiden Männer brachen am Donnerstagabend offenbar mit Hilfe eines Justizbeamten aus. Mit zwei Pistolen und je acht Schuss Munition flohen sie per Taxi nach Köln, wo sie am Freitagmorgen eine junge Frau zwangen, sie mit ihrem Auto nach Essen zu fahren. Dort verlor sich zunächst ihre Spur. Eine Fahndung unter anderem mit Hubschraubern und Wärmebildkameras im Essener Ausflugsgebiet Baldeneysee brachte bis in den Freitagabend hinein keinen Erfolg.

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(c) AP, Polizei sucht die Flüchtigen in Essen

Möglicherweise waren sie zu dem Zeitpunkt schon im Haus des älteren Ehepaares in Essen-Werden, mit dessen Wagen sie am Samstagabend ihre Flucht fortsetzten. Das Paar blieb laut Polizeisprecher Gilles unverletzt. Die Eheleute verständigten nach seinen Angaben bei ihren Nachbarn die Polizei, als die Ausbrecher sie freigelassen hatten.

Der mutmaßliche Helfer der beiden, ein 40-jähriger Justizbeamter des Aachener Gefängnisses, wurde am Samstag in Untersuchungshaft in einem anderen Bundesland genommen. Behilflich bei der Suche nach den Männern ist er nicht, vielmehr verweigert er die Aussagen, wie eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Justizministeriums sagte. Ihm werden im Haftbefehl Gefangenenbefreiung im Amt und Verstoß gegen das Waffengesetz zur Last gelegt. Der Aufseher soll die beiden Männer nicht nur vorsätzlich aus dem Gefängnis herausgeschleust, sondern sie auch mit schussbereiten Dienstwaffen und Munition versorgt haben.

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(c) AP, aus diesem Knast brachen sie aus

 

So brutal sind die Ausbrecher

Michael Heckhoff:

Heckhoff ist vor allem wegen einer Geiselnahme 1992 in der Justizvollzugsanstalt im sauerländischen Werl zu zweifelhafter Bekanntheit gelangt. Für die Tat erhielt er Ende 1993 lebenslang. Mit einem Komplizen hatte er einen Zahnarzttermin zu einem brutalen Kidnapping genutzt. Mit einer Pistole - einer täuschend echt wirkenden Attrappe aus Seife - nahm das Duo drei JVA-Bedienstete und drei Arzthelferinnen als Geiseln. Die Männer forderten eine Million Mark Lösegeld, ein Fluchtauto und freies Geleit. Als der damals 34-jährige Heckhoff den Fluchtwagen inspizieren wollte, traf ihn ein Schuss und verletzte ihn schwer.

Ein SEK-Kommando stürmte später den Lazarett-Trakt in Werl, wo sich sein Komplize - verurteilt wegen Dreifach-Mordes - verschanzt hatte. Der übergoss vor dem Zugriff einen JVA-Beamten und eine Arzthelferin mit Waschbenzin, zündete sie an und fügte ihnen schwerste Verbrennungen zu. Beim Prozess wegen zweifachen versuchten Mordes in Arnsberg musste Heckhoff im Gerichtssaal Fußfesseln tragen.

Schon vor der Werler Geiselnahme hatte Heckhoff schwere Verbrechen verübt: Wegen Geiselnahme einer Polizistin und zweier Banküberfälle war er Anfang der 90er Jahre zu 15 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. In seiner Einzelzelle in der JVA Bochum wurden 1995 eine Gaspistole und eine Handgranaten-Attrappe gefunden. Danach wurde er in eine speziell überwachte Zelle in Wuppertal gebracht. Später landete er in der JVA Aachen, aus der er am Donnerstag mit Michalski ausbrach. Jetzt wurde er festgenommen - in Mülheim an der Ruhr.

Peter Paul Michalski:
Auch Michalski - auf dem Fahndungsfoto mit Halbglatze und gestutztem Vollbart - ist ein besonders gewalttätiger Mehrfachtäter. Er verbüßte laut NRW-Justizministerium bereits als Heranwachsender eine Jugendstrafe. 1985 wurde er entlassen, drei Jahre später aber schon wieder festgenommen. 1988 verurteilten ihn die Richter zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft, unter anderem wegen schweren Raubes.

1993 erschoss Michalski im Hafturlaub einen Mittäter - und erhielt dafür eine lebenslange Haftstrafe. Das Bielefelder Landgericht stellte im März 1995 die besondere Schwere der Schuld fest. Damit war eine Überprüfung der Haftstrafe nach 15 Jahren für den gebürtigen Herforder blockiert. Anfang 2006 war er von der JVA Wuppertal nach Aachen verlegt worden, dort gelang ihm der Ausbruch.

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