New York

Kein Platz zum Trauern in Ground Zero

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Abschied von Ground Zero in Nex York: Die Bauarbeiten in New York schreiten voran - es gibt kein Platz mehr für Trauernde.

Nichts hat New Yorker so zusammengeschweißt wie der 11. September 2001. Seit den Terrorangriffen auf das World Trade Center und dem Einsturz der Zwillingstürme rückte die Stadt gerade an den Gedenktagen immer wieder zusammen. Das Läuten der Glocken, die Schweigeminuten, die Verlesung der Opfernamen und die Prozession der Witwen und Waisen in die Tiefe von Ground Zero riefen ihr Jahr für Jahr das Grauen jenes Morgens vor nunmehr sechs Jahren ins Gedächtnis zurück.

2007 ist alles anders
Die Bauarbeiten dort lassen keinen Platz mehr zum Trauern. Bürgermeister Michael Bloomberg verlegte die eigentliche Zeremonie in den Zucotti Park am Broadway, etliche hundert Meter von der bisherigen Gedenkstätte entfernt. Bloomberg ging allerdings auf den heftigen Protest einiger Gruppen ein und gab die Rampe hinunter in die Baugrube ein letztes Mal frei - unter strikten Auflagen.

Abschied
Damit steht jetzt der Abschied von Ground Zero bevor, der für viele Hinterbliebene fast sakrale Bedeutung hat. Hier fühlten sie sich den rund 3000 Menschen nahe, die am 11. September 2001 spurlos verschwanden und von denen nichts als Asche blieb, erläutert der psychologische Berater Sam Kedem. "Diese Familien klammern sich an Ground Zero, weil ihnen nichts anderes blieb", sagt er. Ob die geplante Gedenkstätte mit Kunstpark und künstlichen Wasserfällen einmal die gleiche Nähe zu den Opfern schaffen kann wie die "Fußabdrücke" der einstigen Zwillingstürme, bleibt abzuwarten.

18.600 Menschen in "Ground Zero"
Kedem war 2001 aus Florida herbeigeeilt, als er das New Yorker Inferno im Fernsehen sah. Er hat nach eigener Schätzung seitdem wenigstens 3000 Menschen zu helfen versucht, ihrer Ängste nach dem 11. September Herr zu werden. "Wir vergessen, dass 18 600 Menschen in den Türmen arbeiteten. Die meisten konnten sich retten, trugen aber oft schwerste körperliche und seelische Wunden davon", sagt Kedem.

Manchen dieser Überlebenden gehe es heute noch schlechter als den Angehörigen der Toten. Jeder zweite seiner Patienten habe panische Angst vor Wolkenkratzern. Etliche seien nie in den Süden Manhattans zurückgekehrt, wo die beiden Zwillingstürme einst 411 Meter hoch in den Himmel ragten.

Physische und psychische Erkrankungen
Zu seiner Klientel gehören auch Augenzeugen, die mitansehen mussten, wie verzweifelte Menschen in die Tiefe sprangen. "Solche Eindrücke verfolgen uns. Sie lassen uns nicht mehr los". Physisch und psychisch krank seien auch viele Feuerwehrleute, Polizisten und Freiwillige, die die Trümmer zu beseitigen halfen. "Ihnen fällt diese Zeit besonders schwer", sagt Kedem mit Blick auf die Gedenkfeiern.

Unterdessen gibt es erstmals auch Stimmen, die sich von der Gedenkfeier distanzieren. "Hat Trauer denn kein Verfallsdatum?", hieß es in einem Leserbrief an die "New York Times". Ein 56-jähriger Softwarelehrer meinte: "Ich weiß ja, dass es eine Tragödie ist. Aber es muss doch weitergehen. Ich habe das Gefühl, dass sich manche Leute an ihr Los als Opfer klammern - und das reicht mir jetzt."

Es gibt Ansätze für ein anderes Herangehen an den 11. September. Die junge Witwe Monica Iken, Gründerin der Stiftung "September's Mission", nimmt an diesem Dienstag erstmals nicht an der offiziellen Gedenkfeier teil. Sie folgt einer Einladung der Organisation "Voices of September 11th" und arbeitet in einem Hotel gleich neben Ground Zero an einem Online-Archiv namens "9/11 Living Memorial". Das soll die Geschichten von Überlebenden, Helfern und anderen erzählen.

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