Deutschland

Waffe und Munition nach Mafia-Morden sichergestellt

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Nach den Mafia-Morden von Duisburg hat die Polizei ein Gewehr mit Munition sichergestellt.

Nach dem Sechsfachmord von Duisburg hat die Polizei Wohnungen von Angehörigen der Opfer durchsucht. Dabei seien Dinge sichergestellt worden, die als Beweismittel von Bedeutung sein könnten, sagte ein Polizeisprecher am Samstag. Die Spurensuche in der Umgebung des Tatortes vor dem Restaurant "Da Bruno" und in den Räumen des Lokals dauerten an. Dabei wurden ein Gewehr und Munition entdeckt.

Durchsuchungen in San Luca
Die italienische Polizei durchsuchte Wohnungen in dem kalabrischen Ort San Luca, aus dem fünf der sechs Opfer stammten. Die Polizei vermutet die Täter im Mafiamilieu und fahndet nach zwei Männern.

Das Gewehr war von den Fahndern in dem Restaurant gefunden worden. Es gebe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Waffe bei der Tat eingesetzt worden sei, sagte der Polizeisprecher. Seit Veröffentlichung des Phantombildes eines möglichen Täters gingen mehr als 100 Hinweise ein. Eine heiße Spur gebe es aber nicht.

Polizeikontrollen gegen Racheakte
Unterdessen hat die italienische Polizei in San Luca die Durchsuchungen von Wohnungen fortgesetzt. Außerdem wurden Polizeikontrollen verstärkt, um mögliche Racheakte zu verhindern. Die Duisburger Polizei geht bei dem Verbrechen von einer Blutfehde zwischen zwei Familien in San Luca aus. Beide Clans werden der kalabrischen Mafia 'Ndrangheta zugerechnet.

In Nordrhein-Westfalen ist nach Angaben des Chefs des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes Wolfgang Gatzke nicht nur die überwiegend im Kokainhandel tätige 'Ndrangheta aktiv. Auch die übrigen Arme der Mafia wie Cosa Nostra und Camorra seien zwischen Rhein und Ruhr präsent.

Bisher keine heiße Spur
Auch zwei Tage nach der Ermordung von sechs Italienern in Duisburg hat die Polizei noch keine heiße Spur von den der Mafia zugerechneten Killern. Ein Polizeisprecher sagte am Freitag, nach der Veröffentlichung eines Phantombildes eines Tatverdächtigen seien zwar verschiedene Hinweise eingegangen. Doch gebe es noch nichts Konkretes. Unterdessen dauerte die Auswertung von Überwachungsvideos, die in der Nähe des Tatortes gemacht wurden an. Die Aufnahmen seien von schlechter Qualität und die technische Aufarbeitung werde wohl über das Wochenende hinaus dauern, sagte der Sprecher.

Deutsche Polizei hat Hilfe aus Italien erhalten. Zwei auf Mafia-Fragen spezialisierte Ermittler aus Kalabrien trafen Donnerstagmorgen in Duisburg ein, um die deutschen Behörden zu unterstützen.

Kritik von Europol
Angesichts der länderübergreifenden Dimension des Verbrechens wurde am Freitag wachsende Kritik an der mangelhaften internationalen Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung laut. Europol-Chef Max-Peter Ratzel sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Wichtige Informationen aus den EU-Ländern liegen Europol zum Teil nicht vor, weil nationale Behörden die europaweite Relevanz nicht erkennen und sie nicht weitergeben."

Seit Jahren feste Mafia-Strukturen in Deutschland
Die "Berliner Zeitung" berichtete unter Berufung auf ihr vorliegende geheime BND-Berichte, dass die kalabrische Mafia-Organisation 'Ndrangheta und die aus der Region um Neapel stammende Camorra feste Strukturen in Deutschland aufgebaut hätten. Insbesondere die Camorra habe in Deutschland über Jahre hinweg flächendeckend - vor allem aber in Hessen und Rheinland-Pfalz - ein dichtes Netz von Filialen geknüpft. Die kalabresische 'Ndrangheta hingegen konzentriere ihre Aktivitäten vorrangig auf Ostdeutschland.

Schwerpunkt liegt auf legalen Aktivitäten
Der Schwerpunkt liege dabei auf legalen wirtschaftliche Aktivitäten, die aus den in Italien und anderen Ländern erzielten kriminellen Gewinnen finanziert würden, hieß es im Bericht. Dabei gehe es um Investitionen in Milliardenhöhe.

Tatsächlich hat die Mafia wohl wohl auch in Duisburg bereits vor geraumer Zeit Wurzeln geschlagen. Schon 1985 starb der Polizei zufolge ein Gaststättenbesitzer in der Ruhrgebietsstadt bei einem Überfall, der von dem später als "Engelsgesicht" bekannt gewordenen Mafia-Mörder Giorgio Basile in Auftrag gegeben worden war. Und im Frühjahr 1991 nahmen die Ermittler im Restaurant "Da Bruno", das damals allerdings noch an einer anderen Adresse lag, einen wegen Totschlags verurteilten, entflohener italienischer Häftling fest, der der 'Ndrangheta zugerechnet wurde.

Tappen im Dunkeln
Über die Täter, vermutlich zwei Männer, gibt es keine neuen Erkenntnisse. Die Polizei erhofft sich weitere Hinweise von der Auswertung von Überwachungsvideos, die in der Nähe des Tatorts aufgezeichnet wurden. Allerdings sind die Aufnahmen von sehr schlechter Qualität und müssen künstlich nachgebessert werden.

Phantombild soll helfen
Die Exekutive hat am Donnerstagabend ein erstes Phantombild veröffentlicht. Bei dem dunkelhaarigen Mann handelt es sich um den Fahrer eines Wagens, der sich kurz nach der Tat Mittwoch früh mit hoher Geschwindigkeit aus der Umgebung des Tatortes entfernt hat.

Motiv war Rache
Das Hauptziel der Killer dürfte Marco M., eines der Opfer, gewesen sein. Der Mann wird offenbar vom Clan der Strangio-Nirta als ein Hauptverantwortlicher für die Ermordung von Maria Strangio (33) angesehen, der Ehefrau vom mutmaßlichen Clan-Chef Giovanni Nirta. Sie war im vergangenen Dezember am ersten Weihnachtstag erschossen worden. Dabei war auch ein fünfjähriges Kind verletzt worden.

Italien ist alarmiert
Das Blutbad von Duisburg schlägt auch in Italien hohe Wellen. Ein derart brutales Vorgehen habe es im Ausland noch nicht gegeben, meldeten italienische Medien. Mafia-Experten sind sich sicher, dass die Bluttat von ’Ndrangheta-Mafiosi geplant wurde. Sie räumen ein, diese Organisation unterschätzt zu haben.

Soldaten gefordert
In der kalabrischen Stadt San Luca, der Heimat der verfeindeten Familien Nirta-Strangio und Pelle-Romeo, wurden zusätzliche Polizeikräfte stationiert, um Vergeltungsaktionen zu verhindern. Sogar die Entsendung des Heeres wird diskutiert. „Immerhin herrscht hier eine Notstandlage“, sagte Franco Corbelli, Chef der Bürgerbewegung Diritti Civili (Zivile Rechte). In wenigen Monaten seien in der Region 30 Morde verübt worden, die auf das Konto der ’Ndrangheta gingen, so Corbelli.

Hohe Polizeibeamte wurden aus dem Urlaub zurückgerufen. In der Provinzhauptstadt Reggio Calabria kamen Antimafiaermittler zusammen, um die weiteren Schritte zu koordinieren.

Warnung
Die deutsche Polizeigewerkschaft warnt vor einer wachsenden Gefahr durch die Mafia. Man befürchtet, dass Deutschland zur Austragungsbühne italienischer Mafia-Fehden wird. Für Österreich gibt das heimische Bundeskriminalamt Entwarnung: Es gebe hierzulande keine Erkenntnisse über Aktivitäten der Mafia.

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