Nach Wahl-Debakel

Brown immer mehr unter Druck

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Die Luft für Gordon Brown wird immer dünner. Bei den EU-Wahlen erlitt die Labour-Partei eine historische Niederlage. Ein weiteres Regierungsmitgleid ist zurückgetreten.

Ein historisches Debakel bei der EU-Wahl und ein weiterer Rücktritt in der Regierung haben den politisch angeschlagenen britischen Premierminister Gordon Brown am Montag zusätzlich geschwächt. Seine Labour-Partei stürzte dramatisch ab und war nach Auszählung der meisten Wahlregionen nur noch drittstärkste Kraft. Hinzu kam der Rücktritt von Umwelt-Staatssekretärin Jane Kennedy. Diese sagte, sie lege ihr Amt nieder, weil sie Brown nicht ihre Gefolgschaft zusichern wollte und genug von "Schmutzkampagnen" innerhalb der Regierung habe.

Nachdem Browns Labour-Partei schon bei den Kommunalwahlen am vergangenen Donnerstag ein Desaster erlebt hatte, wollen an diesem Montagabend Rebellen in seiner eigenen Partei entscheiden, ob sie einen Antrag zum Sturz des Premiers voranbringen. Brown selbst hatte am Sonntag bekräftigt, in den schwierigen Zeiten sein Amt fortführen zu wollen. Am Montag fuhr er zudem mit seiner Kabinettsumbildung auf unterer Ebene fort. Aus Browns Kabinett waren vergangene Woche sechs Minister und mehrere Staatssekretäre zurückgetreten.

Sieben Prozent verloren
Die Regierungspartei verlor bei der EU-Wahl sieben Prozentpunkte und kam nur noch auf 15,3 Prozent. Labour wurde sogar von der Europa-kritischen UK Independence Party (UKIP) (17,4 Prozent) überflügelt, lag aber noch knapp vor den Liberaldemokraten (13,9). Stärkste Kraft wurde die Konservative Partei von Oppositionschef David Cameron mit 28,6 Prozent. Zudem gingen zwei Labour-Sitze ausgerechnet an die rechtsextremistische BNP verloren, die damit erstmals in das EU-Parlament einzieht.

"Wir haben eine sehr, sehr schwere Niederlage erlitten", räumte Harriet Harman von der Labour-Spitze in einem BBC-Interview ein. "Wenn die Labour-Abgeordneten und Gordon Brown die Botschaft dieser Ergebnisse nicht verstehen, sind wir am Ende", sagte der Labour-Parlamentarier John McDonnell. Seine Partei habe seit 1910 nicht mehr so schlecht abgeschnitten. "Wir müssen die politische Richtung komplett ändern."

Um die erhitzten Gemüter nach der Wahlniederlage zu beruhigen, will Brown nach Informationen der "Times" (Montag-Ausgabe) die Teilprivatisierung der britischen Post verschieben. Der Verkauf eines Anteils der Royal Mail ist auch innerhalb der Labour-Partei sehr umstritten. Außerdem will Brown nach Medieninformationen eine Untersuchung einleiten, die die britische Beteiligung beim Krieg gegen den Irak unter die Lupe nimmt.

Dem Premier macht nicht nur die schwerste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg zu schaffen. Labour scheint zudem unter den - auch andere Parteien betreffenden - Enthüllungen über unverfrorene Spesenabrechnungen der Parlamentsabgeordneten besonders zu leiden. Brown wird zunehmend dafür verantwortlich gemacht, nicht entschlossen genug dem Wildwuchs über die Anforderung öffentlicher Mittel für die Anschaffung von Großbild-Fernsehern, Maulwurfsfallen und Schwimmbadreparaturen entgegen getreten zu sein.

Entscheidungsschwäche und mangelnde Kommunikationsfähigkeit
Kritiker werfen Brown Entscheidungsschwäche und mangelnde Kommunikationsfähigkeit vor. Für die Zeitung "Daily Telegraph" stand sein politisches Schicksal am Montag "auf Messers Schneide". Der "Guardian" ging von einem Moment der Entscheidung aus.

Bei einem Wechsel an der Regierungsspitze würden Neuwahlen in Großbritannien kaum noch zu vermeiden sein, obwohl sie formell erst in einem Jahr ausgerufen werden müssten. Ein Sieg der Konservativen wäre Beobachtern zufolge dann so gut wie sicher. Labour ist seit zwölf Jahren an der Macht.

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