Krise in England

Brown schließt Rücktritt nicht mehr aus

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Der Spesenskandal kratzt nun auch an dem Sessel von Premier Brown.

Nach der schweren Regierungskrise hat der britische Premier Gordon Brown erstmals offen über einen Rückzug von seinem Amt gesprochen. "Um ehrlich zu sein, man könnte all das morgen hinter sich lassen", sagte Brown in einem ungewöhnlich persönlichen Interview der Zeitung "Guardian" (Samstag). "Das, was die Macht begleitet, interessiert mich nicht. Es würde mir nichts ausmachen, wenn ich nie mehr an diese Orte zurückkehre - Downing Street, Chequers", sagte er mit Blick auf den britischen Regierungs- und Landsitz. "Es wäre wahrscheinlich gut für meine Kinder." Er könne sich auch vorstellen, eine Lehrtätigkeit aufzunehmen.

Schwäche eingestanden
Gleichzeitig betonte er jedoch, er werde die Labour Party in die kommende Parlamentswahl führen. Dabei könnte Labour auch gewinnen. Brown räumte erstmals ein, wie sehr ihn die Kritik "verletzt" habe, die ihm zuletzt entgegenschlug. Die vergangenen Wochen seien mit die schlimmsten in seiner politischen Laufbahn gewesen. Auch gestand er Schwächen ein: "Ich bin kein so guter Vermittler von Informationen oder Kommunikator, wie ich es gerne wäre."

Brown erklärte, er habe sich gewünscht, in seiner Zeit als Finanzminister eine strengere Bankenaufsicht einzuführen. Aber er wollte nicht, dass Großbritannien "ins Abseits" gerät. Zudem habe er damals nicht viel von sogenannten "Sub-Prime"-Hypotheken an zahlungsunfähige Bürger gewusst, die die Finanzkrise ausgelöst hatten. Großbritannien steckt derzeit in einer seiner schwersten Wirtschaftskrisen. Dafür wird auch Brown verantwortlich gemacht, der zehn Jahre Finanzminister war.

Das Interview wurde vor allem als Versuch Browns gewertet, seine menschliche Seite zu zeigen - und weniger als Andeutung, dass er sein Amt niederlegen könnte. "Ich dachte, dass die Versuchung, das alles hinter sich zu lassen, groß ist", sagte der Labour-Abgeordnete Tony Wright mit Blick auf den auf Brown lastenden Druck. "Aber ich habe Gordon noch nie als jemanden gesehen, der etwas hinwirft."

Minister-Rücktritte
Brown hatte vor zwei Wochen nur knapp einen Sturz durch seine eigene Partei verhindert. Zuvor waren - ausgelöst durch den Spesenskandal und interne Machtkämpfe - eine Reihe von Ministern und Staatssekretären zurückgetreten. Bei den Europawahlen fuhr Labour zudem ein historisch schlechtes Ergebnis ein. Brown wurde dabei vorgeworfen, sich verzweifelt an sein Amt zu klammern. Der Premier muss bis spätestens Mai 2010 Parlamentswahlen angesetzt haben.

Im Zusammenhang mit dem Skandal um falsch abgerechnete Spesen musste auch der Parlamentspräsident Michael Martin zurücktreten. Sein Nachfolger soll diesen Montag gewählt werden. Allerdings kamen am Wochenende Spesen-Details der Nachfolge-Kandidaten ans Licht - darunter auch von der ehemaligen Außenministerin Margaret Beckett, die angeblich in den vergangenen sieben Jahren umgerechnet mehr als 10 000 Euro für Gartenarbeit in Rechnung gestellt hatte.

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