Herber Rückschlag

Brown verliert Rückhalt der "Sun"

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Das Massenblatt entzieht Labour seine Unterstützung - und schwenkt zur Opposition.

Schlimmer hätte der Zeitpunkt nicht sein können. Ausgerechnet am Morgen nach der Parteitagsrede von Gordon Brown, mit der Großbritanniens Premierminister die schier aussichtslose Aufholjagd vor der Parlamentswahl im kommenden Jahr starten wollte, schlägt sich mit der Zeitung "The Sun" das mächtigste Boulevardblatt des Königreichs offen auf die Seite der Opposition. "Nach zwölf langen Jahren an der Macht hat die Regierung die Richtung verloren. Nun hat sie auch die Unterstützung der 'Sun' verloren", titelte das Blatt, das täglich gut drei Millionen Exemplare verkauft und weit mehr als doppelt so viele Leser erreicht, am Mittwoch.

Kein positives Echo
Dabei hatte der angeschlagene Brown gehofft, mit seiner Rede beim Parteitag wenigstens für ein paar Tage ein positives Echo zu erzeugen und seiner frustrierten Labour Party neues Leben vor der Wahl Mitte 2010 einzuhauchen. Doch während die Delegierten mit dem Auftritt ihres Regierungschefs halbwegs zufrieden waren und zumindest öffentlich bekundeten, noch an den vierten Wahlsieg in Folge zu glauben, sorgte schon wenige Stunden später der politische Schwenk der "Sun" für Schock und Ernüchterung in den Labour-Reihen.

Zwölf Jahre lang und bei drei Wahlen in Folge hatte die "Sun" Labour unterstützt. Allerdings war schon in den vergangenen Monaten viel Kritik an der Brown-Regierung zu lesen. Am Mittwoch folgte auf fünf Seiten eine schonungslose Abrechnung. Brown und seine Labour-Regierung hätten auf wichtigen Politikfeldern wie Kriminalitätsbekämpfung, Einwanderung, Bildung oder Jugend versagt.

Irak, Afghanistan
"Die größte Schande von allen: Labour ließ unsere Soldaten im Irak und in Afghanistan im Stich und lässt sie durch eine chronisch schlechte Ausstattung sterben", schrieb die "Sun". Nun brauche das Land eine Regierung, die handele. "Und wir sind davon überzeugt, dass David Cameron sie führen sollte."

Gemeint ist der 42-jährige Oppositionsführer und Chef der Konservativen Partei. Cameron und seine Tories liegen schon seit Monaten in Umfragen stabil zweistellig vor der regierenden Labour-Partei. Zuletzt standen die Konservativen bei 36 Prozent, während Labour auf 24 Prozent abgerutscht war und sich sogar mit Platz drei hinter den Liberaldemokraten begnügen musste.

Um Schadensbegrenzung bemüht
In einer Serie von Interviews bemühten sich Premierminister Brown und hochrangige Kabinettsmitglieder während des Parteitags im Seebad Brighton um Schadensbegrenzung. "Das britische Volk entscheidet die Wahl, nicht die Zeitungen", wiederholte Brown gebetsmühlenartig. Und Wirtschaftsminister Peter Mandelson sprang ihm bei: "Die Leser der "Sun" wollen eine Zeitung, kein Propaganda-Blatt."

In den 80er Jahren hatte die "Sun" die Politik der konservativen Premierministerin Margaret Thatcher unterstützt und behielt ihre Linie auch bei, als die "Eiserne Lady" vom ebenfalls konservativen John Major abgelöst wurde. 1997 kam der Schwenk, als sich die "Sun" wenige Wochen vor dem Wahlsieg von Tony Blair auf die Seite von Labour schlug und dort bis zur vergangenen Wahl blieb, bei der sie der Regierungspartei "eine letzte Chance" zugestand.

Medienexperten sehen in dem neuerlichen politischen Schwenk des Blattes wirtschaftliche Interessen des ohnehin konservativen Verlegers Rupert Murdoch. Er wolle auf der Seite der Sieger sein und verspreche sich Vorteile, etwa in der Medienpolitik, wenn er den künftigen Regierungschef unterstütze. Die Chefredaktion der "Sun" wollte nicht sagen, wie stark Murdoch auf die neue politische Ausrichtung und deren Verkündung zum Labour-Parteitag gepocht habe. Er sei an der Entscheidung "beteiligt gewesen", hieß es.

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