Im August

Bush hatte Geheimdienstinfos über Iran viel früher

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Das Weiße Haus korrigierte damit die ursprüngliche Aussage des Präsidenten. Die US-Geheimdienste belauschten iranische Militärs.

Die Erkenntnisse der US-Geheimdienste über eine angebliche Aussetzung des iranischen Atomwaffenprogramms im Herbst 2003 beruhen nach Informationen der "New York Times" zum Teil auf Aufzeichnungen über Treffen des iranischen Militärs. Demnach waren die Militärspitzen über die Entscheidung der Staatsführung aufgebracht, das Waffenprogramm und die Entwicklung von nuklearen Gefechtsköpfen zu beenden, berichtete die Zeitung am Donnerstag unter Berufung auf US-Militär- und Geheimdienstkreise. Präsident George W. Bush hat nach offizieller Darstellung im Spätsommer von den Geheimdiensterkenntnissen erfahren. Das Weiße Haus stellte inzwischen frühere anderslautende Aussagen des Präsidenten richtig.

Geheimdienste bedienten sich auch anderer Informationen
Warum das iranische Atomwaffenprogramm gestoppt wurde, sei aus den genannten Aufzeichnungen nicht hervorgegangen, heißt es in dem Bericht der "New York Times". Demnach bedienten sich die US-Geheimdienste noch anderer Informationen, um die im Iran gewonnenen Erkenntnisse zu erhärten. Auf diese Weise habe vermieden werden sollen, eventuell einer gezielten Falschinformation aufzusitzen. In ihrer am Montag veröffentlichten Einschätzung hatten die Geheimdienste übereinstimmend festgestellt, dass der Iran sein Programm zum Bau von Atomwaffen vor vier Jahren abgebrochen habe. Wegen des starken internationalen Drucks sei die Regierung in Teheran inzwischen "weniger entschlossen", ein Nukleararsenal aufzubauen, hieß es in dem Bericht.

Bush wusste seit August bescheid
Geheimdienstchef Mike McConnell habe Bush im August davon in Kenntnis gesetzt, dass der Iran sein Atomwaffenprogramm ausgesetzt habe, sagte Präsidentensprecherin Dana Perino in Washington. Noch am Dienstag hatte der Präsident erklärt, McConnell habe ihn nicht im Detail über die neuen Geheimdienstinformationen unterrichtet. Im Oktober hatte Bush vor einem atomar bewaffneten Iran gewarnt, von dem die Gefahr eines dritten Weltkrieges ausgehen würde. Die Kritiker des Präsidenten verglichen dies mit Bushs Argumentation vor dem Irak-Krieg, wonach Bagdad unter Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen entwickeln würde. Solche wurden nach der US-Invasion 2003 nie gefunden.

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McConnell sagte nach Angaben der Sprecherin, wenn sich die neuen Geheimdiensterkenntnisse als zutreffend herausstellen sollten, wäre das die Bestätigung, dass der Iran insgeheim an Atomwaffen gearbeitet habe. Der Geheimdienstchef habe Bush auch gesagt, dass die jüngsten Informationen noch einer Bestätigung bedürften, so die Sprecherin.

Cheney sieht durch Bericht US-Diplomatie behindert
Vizepräsident Dick Cheney, der als vehementester Vorkämpfer der Hardliner gegenüber dem Iran betrachtet wird, sieht die Diplomatie Washingtons durch den Bericht behindert. Auf die Frage des Online-Magazins "Politico", ob der Bericht die amerikanischen Anstrengungen zur Eindämmung der nuklearen Aktivitäten Teherans erschwere, antwortete Cheney wörtlich: "Mag sein, aber es war von Anfang an nicht leicht". Er bleibe weiterhin "beunruhigt", betonte der Vizepräsident, der nach eigenen Worten das "allgemeine Gefühl" teilt, "dass es wichtig war, den Bericht zu veröffentlichen. In jedem Fall wäre er nicht lange geheimgeblieben."

Sarkozy meldet sich zu Wort
In Paris gab der Elysée-Palast am Donnerstag bekannt, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy habe in einem Telefonat mit seinem US-Amtskollegen erklärt, wenn sich der Bericht bestätige, wären "die internationalen Befürchtungen seit 2002 über den Zweck des Atomprogramms im Iran noch verstärkt". Die internationale Gemeinschaft müsse von Teheran weiter eine vollständige Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde und die Aussetzung der Urananreicherung fordern.

Israel zweifelt an Berichten
Israel hat den US-Geheimdienstbericht angezweifelt und eine Verschärfung der internationalen Sanktionen gegen Teheran gefordert. Außenministerin Tzipi Livni erklärte am Mittwoch, es müsse mit aller Macht verhindert werden, dass der Iran in den Besitz der Technologie für Atomwaffen gelange. Nach früheren britischen Medienberichten soll Washington Operationspläne für einen mehrwöchigen Luftkrieg gegen den Iran ausgearbeitet haben. Diese sollen den Einsatz von mit Atomsprengköpfen bestückten Raketen zur Zerstörung unterirdischer Anlagen vorsehen. Zu den Angriffszielen gehöre neben vermuteten Nuklearanlagen - insbesondere in Natanz, Isfahan und Arak - die gesamte militärische Infrastruktur des Landes. Als mögliches Kriegsszenario galt ein Präventivangriff der israelischen Luftwaffe mit dem Argument der Selbstverteidigung gegen die atomare Bedrohung durch den Iran. Die USA würden dann zur Verteidigung Israels in den Krieg eingreifen. 1981 hatte Israel mit einem Lufteinsatz den mit französischer Hilfe errichteten irakischen Atomreaktor "Osirak" zerstört.

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