Syrien und Israel

Friedensaussichten im Nahen Osten gesunken

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Syrien dementiert Berichte über nordkoreanisches Atommaterial. Israel hofft angeblich, dass die Spannungen sich legen.

Syrien sieht nach einem israelischen Luftangriff die Aussichten auf Frieden schwinden. "Nach diesem Angriff können sie den Frieden vergessen", sagte ein syrischer Regierungsvertreter am Montag in Damaskus. Es sei kein Geheimnis, dass die Streitkräfte seines Landes seit geraumer Zeit in Alarmbereitschaft seien, Syrien werde aber keinen Krieg beginnen. Damaskus zögere auch deshalb mit Vergeltung, weil Israel militärisch überlegen sei. Zudem fehle es Syrien an Solidarität der arabischen Welt, und auch sein einst enges Verhältnis zu Russland habe sich geändert.

Mindestens vier Luftraumverletzungen Israels
Diplomaten zufolge drangen in diesem Monat mindestens vier israelische Kampfflugzeuge in den syrischen Luftraum ein, um möglicherweise von Nordkorea gelieferte Raketen anzugreifen. Die von der syrischen Flugabwehr entdeckten israelischen Maschinen hätten ihr Ziel jedoch nicht erreicht und ihre Bomben über freiem Feld abgeworfen. Israel hat das Angriffsziel nicht enthüllt. Aus Diplomatenkreisen verlautete, der russische Vize-Außenminister Alexander Sultanov habe Syrien zu Zurückhaltung geraten. Zu der für November geplanten Nahost-Konferenz wollen die USA auch Syrien einladen.

Militäraktion trotz Yom-Kippur-Fest
Die Sicherheitslage zwischen Syrien und Israel ist am Wochenende angespannt geblieben. Die israelischen Streitkräfte ließen trotz des jüdischen Yom-Kippur-Festes mehrere Kampfjets an der Grenze zu dem Nachbarland aufsteigen, nachdem ein syrisches Kampfflugzeug am Samstag von den Radarschirmen verschwunden war. Die israelischen Jets seien jedoch nicht in syrischen Luftraum eingedrungen, erklärten die Streitkräfte am Sonntag in Jerusalem. Das syrische Kampfflugzeug war offenbar abgestürzt.

Atommaterial aus Nordkorea beschlagnahmt
Die syrische Regierung hat einen westlichen Zeitungsbericht zurückgewiesen, demzufolge Israel Atommaterial aus Nordkorea in einer syrischen Militäranlage beschlagnahmt haben soll. Informationsminister Mohsen Bilal bezeichnete einen entsprechenden Bericht der britischen "Sunday Times" am Montag in Damaskus als "vollkommen falsch" und als "israelische Geschichte".

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Die Zeitung hatte am Sonntag unter Berufung auf gut informierte Kreise berichtet, vor dem israelischen Luftangriff auf eine syrische Militäranlage am 6. September hätten Elite-Einheiten dort Atommaterial beschlagnahmt, dessen nordkoreanische Herkunft inzwischen nachgewiesen worden sei. US-Außenministerin Condoleezza Rice forderte Pjöngjang daraufhin zur vollständigen Offenlegung seines Atomprogramms auf. Nordkorea stritt seinerseits jegliche atomare Zusammenarbeit mit Syrien ab.

Nordkorea dementiert
Ein namentlich nicht genannter US-Regierungsvertreter wurde mit den Worten zitiert, die Belege für die atomare Tätigkeit seien Washington zugänglich gemacht worden, bevor die US-Regierung für den Angriff mit F-151-Bombern grünes Licht gegeben habe. Der Einsatz sei vom israelischen Verteidigungsminister und Ex-Premier Ehud Barak persönlich angeordnet worden. Pjöngjang hatte wiederholt bestritten, Erkenntnisse aus seinem Atomprogramm mit Syrien auszutauschen.

Israel äußerte sich nicht offiziell zu dem Luftangriff, der die Spannungen mit Syrien erhöht hatte. Ministerpräsident Ehud Olmert sagte am Montag laut einem Regierungsmitglied, er hoffe, dass die Spannung sich nach und nach lege und Ruhe an der "Nordfront" einkehre. Weder Syrien noch Israel seien an gewaltsamen Zusammenstößen interessiert.

Bestätigung durch USA
Der israelische Luftangriff auf syrischem Territorium war erst mit mehrtägiger Verzögerung von der US-Regierung bestätigt worden. Israel hat vorher nach Informationen der "Washington Post" Geheimdienstinformationen mit den USA geteilt. Die Zeitung berichtete am Freitag, das Material habe darauf hingewiesen, dass die Regierung in Damaskus mit Hilfe Nordkoreas am Bau von Atomwaffen arbeite. Unter anderem seien Satellitenaufnahmen ausgetauscht worden. Die USA seien tief beunruhigt über die Anschuldigungen Israels gewesen, hätten sich aber zunächst gegen eine unmittelbare Reaktion ausgesprochen, um die Verhandlungen über Nordkoreas umstrittenes Atomprogramm nicht zu gefährden, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Regierungsquellen in Washington. Letztendlich hätten die USA den Israelis eigene Geheimdienstinformationen übermittelt, die den Verdacht auf eine Arbeit Syriens an Atomwaffen erhärtet hätten. Die IAEO in Wien hat keine Hinweise über angebliche nordkoreanische Lieferungen für ein angebliches syrisches Atomwaffenprogramm erhalten.

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Obwohl sich Israel Medienberichten zufolge mit der Existenz eines nuklearen Iran nicht abfinde und die Option eines israelischen Nuklearschlags gegen den Iran offen diskutiert werde, sei jedoch fraglich, ob Israel in diesem Fall einen "Alleingang ohne die USA wagen würde", erklärte der österreichische Politologe am Montag im Gespräch mit der APA. Ein derartiger Anschlag sei zwar technisch und militärisch möglich, doch aufgrund der absehbaren "regionalen Folgen" nicht im Sinne der USA. Deren politische Unterstützung sei daher unwahrscheinlich und auch die Gefahr eines israelischen Anschlags gering. "Israel müsste im Falle eines Angriffs auf den Iran mit erheblichen Verstimmungen in den USA rechnen", so Bunzl.

USA nicht an kriegsähnlichen Handlungen interessiert
Auch an einer Eskalation in Form von kriegsähnlichen Handlungen zwischen Syrien und Israel sind die USA laut Bunzl nicht interessiert. "Außenministerin Condoleeza Rice hat ja sogar vorgeschlagen, Syrien in die Nahost-Konferenz einzubinden", so der Nahost-Experte. Israel habe bei dem jüngsten Luftzwischenfall mit Syrien möglicherweise einen Waffentransport für die libanesische Hisbollah aus dem Iran angreifen wollen. Unter diesem Gesichtspunkt sei die israelische Aktion vielmehr als Signal an Amerika im Sinne eines "Modellversuchs" zu verstehen, wie man innerhalb der gespannten Beziehungen agieren und mit Syrien und dem Iran umgehen solle, meint Bunzl.

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Die israelische Regierung hat beschlossen, 90 palästinensische Häftlinge - überwiegend Mitglieder der Fatah von Präsident Mahmoud Abbas - freizulassen, die "kein Blut an den Händen haben". Wie israelische Medien am Sonntag nach der Kabinettssitzung in Jerusalem berichteten, erfolgt die Maßnahmen im Zusammenhang mit dem islamischen Fastenmonat Ramadan. Im Ministerrat gab es 22 Stimmen für den Beschluss, drei Minister votierten dagegen. Der palästinensische Minister für Gefangenenangelegenheiten, Ashraf Ajrami, nannte die Geste bedeutungslos; das palästinensische Kabinett hatte die Freilassung von mindestens 1000 Gefangenen gefordert, zumal bei Razzien ständig weitere Palästinenser festgenommen würden. In israelischen Gefängnissen sitzen rund 11.000 Palästinenser.

Stärkung des Vertrauens
"Das Ziel der Freilassung ist die Stärkung des Vertrauens zwischen der israelischen Regierung und der palästinensischen Behörde", betonte die Sprecherin von Ministerpräsident Ehud Olmert, Miri Eisin. Die Gefangenen würden voraussichtlich Anfang Oktober auf freien Fuß gesetzt. Der dem Sicherheitskabinett angehörende Umweltminister Gideon Ezra sagte im Radio, die Freilassungen könnten "die Wiederaufnahme von Verhandlungen begünstigen". Im Juli hatte Israel aufgrund einer nach einem Gipfeltreffen im ägyptischen Badeort Sharm el-Sheikh getroffenen Vereinbarung etwa 250 Fatah-Mitglieder freigelassen. Sie mussten sich schriftlich zu einem Gewaltverzicht sowie zur Einhaltung von Auflagen verpflichten.

Selbstmordanschlag verhindert
Israels Sicherheitskräfte haben nach eigenen Angaben einen Selbstmordanschlag zum Fest Yom Kippur verhindert. Ein Polizeisprecher erklärte, bei einer Razzia am Samstagmorgen in Tel Aviv seien vier Personen festgenommen worden, darunter der vorgesehene Attentäter. Auch sei sein Sprengstoffgürtel sichergestellt worden. Der Angriff sei im Laufe des Tages geplant gewesen. Im Vorfeld des Yom-Kippur-Festes hatte die israelische Armee das Westjordanland ebenso wie den Gaza-Streifen vollständig abgeriegelt. Damit sollten Anschläge militanter Palästinenser verhindert werden. Allein in die Altstadt von Jerusalem wurden über 2000 zusätzliche Polizisten verlegt. Der sogenannte Versöhnungstag gilt als wichtigster Festtag im jüdischen Kalender. Er beginnt am Freitag bei Sonnenuntergang und dauert bis zum Samstagabend. Die Israelis gedenken am Yom Kippur außerdem der Opfer des Nahost-Krieges von 1973, als Israel an diesem Tag überraschend von Ägypten und Syrien angegriffen wurde.

Sechs Staaten bei Nahost-Konferenz
Die USA wollen nach palästinensischen Angaben sechs arabische Staaten zu der geplanten Nahost-Konferenz im November einladen. Es seien Syrien, der Libanon, Jordanien, Ägypten, Saudi-Arabien und Katar, sagte ein Berater von Präsident Abbas. Dieser hatte gegenüber US-Außenministerin Condoleezza Rice als Voraussetzung eine umfassende Rahmenvereinbarung mit Israel über eine Zwei-Staaten-Lösung gefordert. Der saudiarabische Außenminister Prinz Saud al-Faisal hatte in der vergangenen Woche erklärt, dass seine Regierung nicht daran teilnehmen werde, wenn keine substanziellen Themen behandelt würden.

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