Libanon

Hunderttausende gedenken des Hariri-Mordes

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Hunderttausende Libanesen haben in Beirut des Hariri-Mordes gedacht. Der Zedernstaat sucht die Attentäter- und einen Präsidenten.

Hunderttausende Libanesen haben am Donnerstag bei strömendem Regen im Zentrum von Beirut der Ermordung ihres früheren Regierungschefs Rafik Hariri vor drei Jahren gedacht. Gleichzeitig wurden im schiitischen Süden der Hauptstadt die letzten Vorbereitungen für die Beisetzung des in Syrien ermordeten Hisbollah-Führers Imad Moughniyah getroffen, der als Top-Terrorist gegolten hat. Er war in Damaskus einem Sprengstoffanschlag zum Opfer gefallen. Um Konfrontationen zu vermeiden, sollte die Hariri-Gedenkkundgebung vor Beginn der Trauerfeier für Moughniyah enden, an der auch der iranische Außenminister Manouchehr Mottaki teilnimmt.

Wahl des Staatspräsidenten bereits 14 Mal verschoben
Die Chefs der antisyrischen Mehrheitskoalition riefen zur sofortigen Abhaltung der bereits 14 Mal verschobenen Präsidentenwahl auf. Hariris "Märtyrerblut" werde "die Despoten vernichten", sagte Drusenführer und Chef der Sozialistischen Fortschrittspartei, Walid Joumblatt, der an der Seite von Hariris Sohn Saad die Demonstranten anführte. Rafik Hariri war am 14. Februar 2005 zusammen mit 22 weiteren Personen in Beirut Opfer eines Bombenattentats geworden. Als Drahtzieher werden syrische Geheimdienstkreise vermutet. Der Mord löste anhaltende Massenproteste - die "Zedernrevolution" - aus, Syrien musste daraufhin seine Militärpräsenz als Ordnungsmacht in dem kleinen Nachbarland nach fast drei Jahrzehnten beenden.

Hisbollah ruft zum Krieg gegen Israel auf
Der Führer der libanesischen Schiitenbewegung Hisbollah, Hassan Nasrallah, hat Israel den "offenen Krieg" erklärt. Wenn "die Zionisten" diese Form des Krieges wollten, dann solle es die ganze Welt wissen: "Lasst uns den offenen Krieg führen", sagte Nasrallah am Donnerstag im Süden von Beirut bei den Beisetzungsfeierlichkeiten für das Hisbollah-Gründungsmitglied Imad Moughniyah, das am Dienstag bei einem Sprengstoffanschlag in Damaskus ums Leben gekommen war. An dem "Heldenbegräbnis" nahm auch der iranische Außenminister Manouchehr Mottaki teil.

Toter Hisbollah-Führer wird "Märtyrer"
Im Iran hat der oberste geistliche Führer Ayatollah Ali Khamenei den toten Hisbollah-Anführer zum "großen Märtyrer" proklamiert. In einer über den staatlichen Rundfunk verbreiteten Botschaft geißelte Khamenei die "blutrünstigen zionistischen Verbrecher, die wissen müssen, dass Moughniyas Martyrium die Geburt von Hunderten von weiteren Märtyrern bedeutet". Ein US-Sprecher hatte erklärt, Moughniyah sei ein Mörder und für den Tod von Hunderten unschuldiger Menschen verantwortlich gewesen. Der 45-jährige Libanese palästinensischer Herkunft soll unter anderem an der Entführung einer TWA-Maschine 1985 sowie an der Attacke auf die israelische Botschaft in Buenos Aires 1992 beteiligt gewesen sein, bei der 29 Menschen ums Leben gekommen waren.

Israel in Alarmbereitschaft
Nach dem gewaltsamen Tod des Hisbollah-Kommandanten in Damaskus hat Israel seine Botschaften und diplomatischen Vertretungen weltweit in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Israelische Medien berichteten am Donnerstag, aus Furcht vor Racheanschlägen seien auch im Norden des Landes die Sicherheitskräfte zur erhöhten Wachsamkeit aufgerufen worden. Der israelische Geheimdienst befürchtet, die Hisbollah-Miliz könne versuchen, sich mit einem großen Anschlag auf eine israelische Einrichtung im Ausland zu rächen.

Der Hariri-Mord ist nach Überzeugung des ehemaligen UNO-Sonderermittlers, des Deutschen Detlev Mehlis, aufklärbar. Es gebe zu viele Beteiligte und Mitwisser, um die Tat für immer unter der Decke zu halten, sagte der Berliner Oberstaatsanwalt der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag). Der syrische Ex-Vizepräsident Abdelhalim Khaddam, der nach Frankreich abgesprungen war, hatte schwere Anschuldigungen gegen Präsident Bashar al-Assad erhoben, der nach Khaddams Vermutung persönlich den Mordbefehl gegeben hätte. Der syrische Innenminister und frühere langjährige Geheimdienstchef im Libanon, General Ghazi Kanaan, hatte nach offiziellen Angaben Selbstmord begangen. Die antisyrische libanesische Presse hatte geschrieben, Kanaan habe der UNO-Untersuchungskommission reinen Wein eingeschenkt oder sei im Begriff gewesen, es zu tun.

Schwere Krise im Zedernstaat
Der Libanon steckt seit Monaten in einer schweren Krise und ist seit dem Ende der Amtszeit von Präsident Emile Lahoud im November ohne Staatsoberhaupt. Die Wahl des neuen Präsidenten wurde am vergangenen Wochenende zum 14. Mal (auf Ende Februar) verschoben. Zwar haben die verfeindeten Lager der Konsenskandidatur von Armeechef General Michel Sleimane grundsätzlich zugestimmt, doch verlangt das von Syrien unterstützte Oppositionsbündnis, zu dem sich die christliche "Freie Patriotische Bewegung" (CPL) von Ex-General Michel Aoun, die schiitischen Parteien Hisbollah und Amal sowie kleinere pro-syrische Parteien zusammengeschlossen haben, noch vor Durchführung der Wahl im Parlament ein Abkommen über eine Machtteilung im Rahmen einer Allparteienregierung. Die Opposition will mit einer Sperrminorität erreichen, dass sie nicht von der Mehrheit überstimmt werden kann.

Warnung an Damaskus
Westliche und arabische Regierungen haben laut Medienberichten gemeinsam den syrischen Staatschef Assad vor ernsten Konsequenzen gewarnt, sollte Damaskus versuchen, den Libanon wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Wie die kuwaitische Zeitung "Al-Watan" berichtete, wurde Assad zu verstehen gegeben, dass die bisher verhinderte Wahl Sleimanes zum Staatspräsidenten eine einheitliche "arabisch-westliche Forderung" sei, die für weitere "Erpressungsversuche" nicht zur Disposition stehe. Als "rote Linie", die Syrien nicht überschreiten dürfe, gelte die Unantastbarkeit der amtierenden Beiruter Rumpfregierung unter Premier Fouad Siniora. Ebenso wurde Damaskus davor gewarnt, das internationale Tribunal zu blockieren, das den Mord an Hariri aufklären soll.

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