Nach dem Rücktritt von Italiens Regierungschef Romano Prodi versucht Staatspräsident Napolitano ohne Neuwahlen eine neue Regierung zu bilden.
Zwei Tage nach dem Rücktritt des italienischen Regierungschefs Romano Prodi hat Staatspräsident Giorgio Napolitano am Samstag seine Gespräche über eine Beilegung der Regierungskrise fortgesetzt. Nach den Treffen mit den Präsidenten von Senat und Abgeordnetenkammer traf Napolitano am Samstag mit den Parteichefs kleinerer Parteien zusammen. Die Vorsitzenden der größten Gruppierungen der Regierungskoalition und der Opposition trifft Napolitano am Montag. Am Dienstag will das Staatsoberhaupt seine Konsultationsrunde abschließen. Mit einer schnellen Beilegung der Regierungskrise wird in Italien derzeit nicht gerechnet.
Keine Neuwahlen
Die von der Opposition geforderte Neuwahl lehnt
Napolitano ab. Das Staatsoberhaupt zieht stattdessen nach eigenem Bekunden
die Bildung einer Regierung von renommierten und unabhängigen Fachleuten
(Technokraten) vor. Während Prodi auf Wunsch des Präsidenten weiterhin
geschäftsführend im Amt bleibt, fordert die Opposition Neuwahlen. "Wir
müssen schnellstmöglich an die Urnen gehen", sagte der ehemalige
Regierungschef Silvio Berlusconi.
Berlusconi wittert neue Chance
Der Oppositionschef spürt 21
Monate nach seiner Niederlage bei den Parlamentswahlen 2006 Rückenwind. Von
einer Übergangsregierung mit der Aufgabe, für Italien ein neues Wahlgesetz
zu verfassen, will der 71-Jährige nichts wissen: Neuwahlen sind sein
einziges Ziel. Und er ist sicher: "Die Mitte-Rechts-Allianz kann die Wahlen
mit einem Vorsprung von zehn Prozent gewinnen."
Die Hoffnung auf Neuwahlen beflügelt Berlusconis Allianz. Die Spannungen der letzten Monate nach der von Berlusconi angekündigten Gründung der neuen Mitte-Rechts-Partei Volk der Freiheiten, die Unmut unter den Verbündeten ausgelöst hatte, sind vergessen. "Berlusconi und ich sind nicht naiv. In einer derart heiklen Phase müssen wir vereint sein, um den Bedürfnissen, nicht nur der Mitte-Rechts-Wähler, sondern aller Italiener zu entsprechen", erklärte Berlusconis Verbündeter, der Chef der Rechtspartei Alleanza Nazionale (AN), Gianfranco Fini.
Italiens Linke geschockt
Unterdessen sucht die geschockte
italienische Linke eine politische Strategie für die nächsten Wochen. Prodi
hat Beratungen mit den Spitzenpolitikern der Mitte-Links-Allianz "Unione" in
die Wege geleitet. "Wir wollen ergründen, welche politischen Kräfte sich für
die Wahlreform einsetzen wollen", sagte der Chef der Demokratischen Partei
(PD, stärkste Regierungspartei), Walter Veltroni. Das gegenwärtige System
mit einer niedrigen Sperrklausel und Bonusmandaten für den Wahlsieger
bevorzuge kleinere Parteien und verhindere die Bildung stabiler Regierungen,
verlautet aus dem Linkslager. Im aktuellen, 2006 gewählten Parlament sind 24
Parteien vertreten.
Eine der Hauptaufgaben des vom Präsidenten befürworteten Kabinetts von Technokraten soll es sein, dieses Wahlrecht, das bisher die Zersplitterung des Parlaments in kleinen Fraktionen fördert, zu reformieren, um mehr politische Stabilität zu ermöglichen. Derzeit müssen Parteien für einen Einzug ins Parlament lediglich eine Zwei-Prozent-Hürde überwinden. Prodi berichtete am Freitagabend, er selbst werde keine Übergangsregierung führen.
Kandidaten positionieren sich
Als mögliche Kandidaten einer
Übergangsregierung gelten der Zentralbankchef Mario Draghi, der ehemalige
EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti und Senatspräsident Franco Marini.
Sollte die Opposition jedoch auf der Forderung nach Neuwahlen bestehen, wird
eine erfolgreiche Regierungsbildung schwierig sein. Berlusconi hofft, bei
einer Neuwahl wieder an die Macht zu kommen, die er 2006 an Prodi verlor.
Veltroni erklärte indessen, Neuwahlen seien nicht nötig. Diese würden das
Land nur in eine dramatische Krise stürzen.
Italiens Industriellenchef Luca Cordero di Montezemolo kritisierte die jüngste politische Entwicklung in Italien. "Im Senat hat sich ein trauriges Spektakel mit schändlichen Szenen abgespielt. Wir alle müssen 'Schluss' sagen. Italien braucht Parlamentswahlen mit einem neuen Gesetz. Das Land kann sich keine neue Phase aus instabilen Koalitionen leisten", erklärte Montezemolo.