Auch Anwalt fehlte

Karadzic-Prozess ohne Karadzic vertagt

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Der frühere bosnische Serbenführer ist wegen Völkermordes angeklagt.

Vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag ist am Montag der Prozess gegen den früheren Präsidenten der bosnisch-serbischen Republik Radovan Karadzic kurz nach dem Auftakt auf Dienstag vertagt worden. Karadzic, der sich selbst verteidigt, hatte die Prozesseröffnung boykottiert. Der 64-Jährige ist wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Bosnienkrieg von 1992 bis 1995 angeklagt.

"Ich stelle fest, dass der Angeklagte Herr Karadzic nicht anwesend ist", sagte der südkoreanische Richter O-Gon Kwon. "Ich stelle ebenfalls fest, dass, weil er sich entschlossen hat, sich in dem Verfahren bisher selbst zu verteidigen, kein Anwalt in seinem Namen hier ist." Angesichts der Abwesenheit werde das Verfahren vertagt und am Dienstag um 14.15 Uhr mit der Verlesung der Anklagepunkte wieder aufgenommen. "Wir fordern Herrn Karadzic auf, teilzunehmen, damit das Verfahren nicht behindert wird", sagte der Richter.

Karadzic hatte dem Gericht am Mittwoch mitgeteilt, er sei noch "nicht bereit" für den Prozess. Im September hatte er vergeblich versucht, zehn weitere Monate für die Vorbereitung seiner Verteidigung zu erhalten.

Die Anklage wirft Karadzic vor, einen Plan zur "ethnischen Säuberung" von Teilen Bosnien-Herzegowinas entwickelt zu haben. Im Mittelpunkt steht das Massaker von Srebrenica, bei dem mehr als 7.000 muslimische Burschen und Männer getötet wurden. Ihm droht lebenslange Haft.

Kriegsüberlebende reisten in Bussen zum Prozess
Zum Prozessauftakt sind über 150 Überlebende des Bosnienkrieges sind in Bussen aus Sarajevo nach Den Haag gereist, um bei der Eröffnung des Völkermord-Prozesses gegen Karadzic dabei zu sein. Besonders angesichts des zu erwartenden Boykotts des Prozesses durch den Angeklagten wollen sie ihrer Forderung nach Gerechtigkeit für die Opfer Nachdruck verleihen, erklärte eine Sprecherin der "Mütter von Srebrencica".

Die Frauen haben während der Massaker an bis 8000 muslimischen Männern und Burschen in der damaligen UNO-Schutzzone im Sommer 1995 ihre Söhne verloren. Die Staatsanwaltschaft wirft Karadzic vor, als politischer Führer der bosnischen Serben die Verantwortung für dieses und zahlreiche weitere Verbrechen zu tragen.

Wie das Gericht bekräftigte, soll der Prozess auch dann eröffnet werden, wenn der Beschuldigte nicht erscheint. Zunächst werde die Anklage gegen Karadzic durch die Staatsanwälte Alan Tieger aus den USA sowie Hildegard Uertz-Retzlaff aus Deutschland öffentlich verlesen werden. Wie das Gericht reagiert, wenn Karadzic das Verfahren weiter boykottiert, muss der aus Südkorea stammende Richter O-Gon Kwon entscheiden.

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