Überstellung

Karadzic nach Den Haag ausgeliefert

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Radovan Karadzic ist an das UN-Tribunal ausgeliefert worden. Die Verzögerungstaktik seines Anwalts war nicht aufgegangen.

Der mutmaßliche Kriegsverbrecher Radovan Karadzic (63) ist an das UNO-Tribunal in Den Haag überstellt worden. Er wurde am Mittwoch in der Früh im Gefängnis des internationalen Kriegsverbrechertribunals in Scheveningen bei Den Haag inhaftiert.. Am Donnerstag wird er zum ersten Mal vor einem Richter des UNO-Tribunals in Den Haag stehen. Diese nach den Regeln des Tribunals vorgeschriebene erste Anhörung ist für 16.00 Uhr angesetzt. Die Anhörung wird vom niederländischen Richter Alphons Orie geleitet.

Einspruch Karadzic` wurde nie abgeschickt
Karadzic hatte versucht, seine Überstellung mit juristischen Winkelzügen hinauszuzögern.

Verzögerungs-Taktik ging nicht auf
Allerdings räumte sein Anwalt am Mittwoch ein, dass der Einspruch gegen die Überstellung, um den er in den vergangenen Tagen ein großes Geheimnis gemacht hatte, nie abgeschickt wurde. "Das war das einzige Mittel, um seine Abreise aus Serbien zu verzögern", sagte Svetozar Vujacic dem Belgrader Fernsehsender B-92.

Familie erhält Ausweise zurück
Die Familie Karadzic hat am Mittwoch ihre Ausweispapiere zurückbekommen. Der Frau von Karadzic, die in der Nähe von Sarajevo lebt, seinem Sohn, seiner Tochter und seinem Schwiegersohn waren die Dokumente Anfang des Jahres entzogen worden. Sie standen im Verdacht, Karadzic bei seiner Flucht vor den Behörden zu helfen.

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So lief die Auslieferung:
Augenzeugenberichten zufolge trafen zwei schwarze Transporter um 07.15 Uhr mit Blaulicht vor dem UNO-Gefängnis ein. Als sich die Tore zur Haftanstalt öffneten, fuhren die Fahrzeuge in Sekundenschnelle durch die Einfahrt. Gut eine halbe Stunde später landete ein Hubschrauber im Innern des Gefängniskomplexes. Die Polizei hatte kurz zuvor die Straße vor dem Gefängnis abgesperrt. Die serbische Maschine mit Karadzic war zuvor in Rotterdam gelandet, anschließend wurde der ehemalige bosnische Serbenführer per Hubschrauber ins Haager Gefängnis geflogen.

Hier klicken: So lautet die Anklage gegen Karadzic

Am Vorabend hatten in Belgrad Gerüchte kursiert, Karadzics' Überstellung nach Den Haag stehe unmittelbar bevor. Sein Anwalt Svetozar Vujacic hatte am Dienstagabend noch im Fernsehen gesagt, er wisse nicht, wann sein Mandant außer Landes gebracht würde. In der Nacht schließlich berichteten mehrere serbische Medien, Karadzic sei auf dem Weg nach Den Haag.

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Nach Angaben von serbischen Agenturen war Karadzic gegen 4.00 Uhr (MESZ) mit einem Konvoi schwarzer Jeeps von seiner Gefängniszelle in Belgrad zum Flughafen der serbischen Hauptstadt gebracht worden. Begleitet hätten ihn vermummte Angehörige des serbischen Geheimdienstes, hieß es.

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Chefankläger zeigt sich zufrieden
Der Chefankläger des Haager Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien, Serge Brammertz, hat die Festnahme als "wichtigen Erfolg" bei der Kooperation Serbiens mit dem UNO-Gericht bezeichnet. Brammertz äußerte am Mittwoch in Den Haag vor Journalisten, wenige Stunden nachdem Karadzic an das UNO-Tribunalsgefängnis im niederländischen Scheveningen überstellt worden war. Auch die EU begrüßte die Auslieferung. Gleichzeitig folgte der Appell an Belgrad, die noch flüchtigen Ratko Mladic und Goran Hadzic zu fassen und ebenfalls an Den Haag auszuliefern.

Eine Anwaltsgruppe von der griechischen Insel Kreta ist bereit, die Verteidigung von Karadzic vor dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) zu übernehmen. Wie der Leiter eines Anwaltsverbandes in der Inselstadt Hani, Dimitris Pondikakis, mitteilte, sollen Karadzic fünf Anwälte zugeteilt werden, die ihn kostenlos verteidigen würden, berichteten serbische Medien.

15.000 bei Demo in Belgrad
Kurz vor der Überstellung Karadzics nach Den Haag waren in Belgrad tausende Anhänger des mutmaßlichen Kriegsverbrechers auf die Straße gegangen. Rund 15.000 Menschen folgten am Dienstagabend einem Aufruf der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) und protestierten gegen die Verhaftung des ehemaligen bosnischen Serbenführers. Rund hundert vermummte Jugendliche griffen gegen Ende der Demonstration das aufmarschierte Polizeiaufgebot mit Steinen und Knallkörpern an. Die Sicherheitskräfte feuerten Tränengas und Gummigeschoße ab. Nach Angaben von Krankenhausmitarbeitern wurden 46 Menschen verletzt, 25 Polizisten und 21 Demonstranten. Ein Polizist und ein Demonstrant mussten demnach stationär behandelt werden, alle weiteren wurden nur leicht verletzt. Lesen Sie hier mehr dazu

Karadzic war am Montag vergangener Woche in Belgrad festgenommen worden. Er war 1996 untergetaucht, nachdem ihn das UNO-Tribunal wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt hatte. Er hatte zuletzt als Arzt für alternative Medizin gearbeitet und mit einem Vollbart und langen Haaren sein Äußeres völlig geändert. Unter dem Namen "Dr. Dragan Dabic" lebte er unbehelligt in Belgrad. Seine Festnahme erfolgte nur zwei Wochen nach dem Antritt der neuen pro-westlichen Regierung in Serbien.

Der einstige bosnische Serbenführer und sein noch flüchtiger früherer Militärchef Ratko Mladic werden für Gräueltaten während des Bosnien-Krieges von 1992 bis 1995 verantwortlich gemacht, unter anderem für den Völkermord in Srebrenica mit fast 8000 muslimischen Opfern im Juli 1995. Karadzic ist der 44. Serbe, der dem Tribunal in Den Haag überstellt wird. Wie der im März 2006 im Tribunalsgefängnis verstorbene frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic will er sich selbst verteidigen. Neben Mladic ist von den Haager Angeklagten nur noch der frühere kroatische Serbenführer Goran Hadzic auf der Flucht.

Fotos: (c) AP, Reuters, APA

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Am frühen Mittwoch Morgen in Belgrad begann die Überstellung.

Niederländische Polizisten erwarten die Ankunft von Karadzic am Flughafen in Rotterdam.

In diesem kleinen Flugzeug wurde Karadzic transportiert.

Abflug vom Flughafen Belgrad.

Ankunft in Rotterdam.

Von dort aus wir er in das Gefängnis nach Scheveningen gebracht.

Mit diesem Helikopter wurde Karadzic ins Gefängnis gebracht.