Prozess geht weiter

Karadzic verweigert jede Aussage zur Schuldfrage

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Der mutmaßliche Kriegsverbrecher Karadzic erschien am Freitag ein zweites Mal vor Gericht. Zur Schuldfrage verweigerte er die Aussage.

Der wegen Völkermordes angeklagte frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic hat vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal auf die Frage nach seiner Schuld erneut die Aussage verweigert. Bei seinem zweiten Auftritt vor dem Tribunal in Den Haag sollte Karadzic am Freitag in elf Anklagepunkten auf schuldig oder nicht-schuldig plädieren. Die verweigerte Aussage wertet das Gericht automatisch als "nicht schuldig". Damit kommt es im Fall Karadzic zum Prozess, der aber aller Voraussicht nach erst in einigen Monaten beginnen wird.

Richter plädierte für Karadzic auf "nicht schuldig"
Der mutmaßliche Kriegsverbrecher bekräftigte, dass er sich in dem Verfahren selbst verteidigen wolle. "Im Einklang mit dem, was ich bisher gesagt habe, verweigere ich die Aussage", sagte Karadzic. Richter Iain Bonomya antwortete: "Damit plädiere ich gemäß dem Verfahrensweg in Ihrem Namen auf nicht schuldig."

Karadzic begründete seine Haltung damit, dass er erst auf eine aktualisierte Fassung der Anklageschrift warten wolle. Nach der Überstellung des Ex-Serbenführers an das Haager Tribunal Ende Juli hatte Chefankläger Serge Brammertz angekündigt, die letzte Anklageschrift aus dem Jahr 2000 überarbeiten zu wollen. Bereits bei seinem ersten Erscheinen vor dem Tribunal vor vier Wochen hatte Karadzic die Aussage verweigert und eine ihm zustehende Bedenkzeit von 30 Tagen beansprucht.

"Werde mich selbst verteidigen"
Karadzic trat am Freitag allein im Gerichtssaal auf und bekräftigte, dass er von seinem Recht auf einen Anwalt keinen Gebrauch machen werde. "Ich werde mich selbst verteidigen", sagte der 63-Jährige. Außerdem kündigte er an, ein Team von Rechtsberatern zusammenzustellen, das ihn bei der Verteidigung unterstützen soll.

Dem früheren bosnischen Serbenführer werden insgesamt elf Anklagepunkte zur Last gelegt, darunter Kriegsverbrechen und Völkermord im Bosnien-Krieg von 1992 bis 1995. Er gilt als Hauptverantwortlicher für das Massaker von Srebrenica, bei dem 1995 fast 8000 bosnische Muslime getötet wurden.

Karadzic erkennt Rechtmäßigkeit des Verfahrens gegen ihn nicht an
Der 63-Jährige erkennt die Rechtmäßigkeit des Verfahrens gegen ihn nicht an und behauptet, die USA hätten ihm Straffreiheit im Gegenzug für seinen politischen Rückzug versprochen. "Dieses Gericht stellt sich fälschlicherweise als Gericht der internationalen Gemeinschaft dar, ist aber tatsächlich ein Gericht der NATO", erneuerte Karadzic am Freitag seine Kritik. Das Tribunal verfolge das Ziel, ihn "zu liquidieren."

Nach zwölf Jahren im Untergrund war Karadzic vor rund sechs Wochen in Belgrad festgenommen worden. Unter falschem Namen hatte er jahrelang unbehelligt als Heilpraktiker gearbeitet und sich mit einem dichten weißen Bart und langen Haaren getarnt. Sollte das UN-Gericht Karadzic schuldig sprechen, muss er mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker forderte unterdessen, Karadzic nicht nur für den Völkermord in Srebrenica, sondern für "den Genozid in ganz Bosnien und Herzegowina" anzuklagen. Jede Begrenzung der Anklageschrift unterschlage "die Konzentrationslager, die Massenvergewaltigungen, Massentötungen und Massenvertreibungen und das Gesamtkonzept des Genozids", erklärte Direktorin Fadila Memisevic.

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