Tschechien

Nach zwei Wahl-Debakeln wackelt Topolaneks Sessel

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Der Sessel des tschechischen Premiers und Chefs der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), Mirek Topolanek, wackelt heftig.

Topolanek ist sowohl als Parteivorsitzender und möglicherweise auch als Premier nicht mehr unumstritten. Die ODS hat nach dem Debakel bei den Regionalwahlen vor einer Woche am Freitag und Samstag eine weitere Schlappe erlitten - diesmal in den Teil-Senatswahlen.

"Linker Haken"
Der "rechte Haken", den die ODS den oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD) beibringen wollte, klappte nicht. Anstatt dessen haben die Konservativen einen weiteren "linken Haken" hinnehmen müssen. Alles zusammengezählt, könnte dies schließlich ein K.o. für Topolanek bedeuten.

So schwere Wahlniederlagen musste die ODS seit ihrer Gründung 1991 noch nicht in Kauf nehmen. Topolaneks Partei hat die Mehrheit im Senat verloren. Mit Ausnahme von drei Wahlkreisen in Prag, das traditionell die Hochburg der ODS ist, haben die Konservativen überall verloren. In einem Fall hat sogar eine kommunistische Kandidatin (KSCM) den ODS-Kandidaten besiegt, und zwar mit einem großen Vorsprung.

Bereits nach den Regionalwahlen, aufgrund derer die ODS alle ihre bisherigen zwölf Kreishauptleute verlieren wird, ballten sich die Wolken über Topolaneks Kopf. Nun kann man über eine Finsternis reden. Topolanek hat innerhalb der ODS eine starke Opposition, die nicht verdeckt auch vom ODS-Ehrenvorsitzenden und Staatspräsidenten Vaclav Klaus unterstützt wird. "Das Artilleriefeuer gegen Topolanek wird in ein Paar Stunden beginnen", sagte der Politologe Michal Klima nach der Veröffentlichung der Hochrechnungen der Teil-Senatswahlen.

Und dieses hat bereits begonnen. "Eine tiefe Selbstreflexion ist nötig. Große Änderungen innerhalb der ODS sind erforderlich", meinte der Noch-Kreishauptmann des mittelböhmischen Kreises, Petr Bendl (ODS), der seine eventuelle Kandidatur für den ODS-Vorsitz "sehr ernst erwägen" wolle.

Demgegenüber kann die CSSD von Ex-Premier Jiri Paroubek erneut feiern. Von 27 zur Wahl stehenden Senator-Mandaten konnte sie 23 erobern. Eine "zweite Welle des orangen Tsunami" (Orange ist die Parteifarbe der CSSD) ist gekommen", heißt es in Prag. Der erste ODS-Vizechef und Prager Bürgermeister Pavel Bem, ein weiterer möglicher Kandidat für den ODS-Vorsitz, meinte, eine "orange sozialistische Bombe explodierte über Tschechien".

Die schweren Wahlniederlagen treiben die ODS in eine Krise in einer Situation, in der wichtige Entscheidungen im tschechischen Parlament bevorstehen. Bereits nächste Woche will Topolanek die tschechisch-amerikanischen Verträge über die Installierung des US-Radars in Tschechien, eines Bestandteiles des amerikanischen Raketenabwehrsystems in Zentraleuropa, im Abgeordnetenhaus erörtern. Jene Dokumente, deren Ratifizierung nicht nur im Unterhaus, sondern nun nach dem Wahlsieg der CSSD, die gegen die Radaranlage ist, auch im Senat schwierig sein dürfte.

Die Parlamentarier sollten sich bis Ende des Jahres auch mit dem EU-Reformvertrag befassen. In diesem Fall ist die Situation einfacher, weil die CSSD das Dokument befürwortet, während die "euroskeptische" ODS Bedenken äußert. Tschechien gehört zu jenen wenigen EU-Ländern, die den EU-Reformvertrag noch nicht ratifiziert haben.

Außerdem steht Tschechien eine wichtige Aufgabe bevor - der sechsmonatige EU-Vorsitz ab 1. Jänner 2009. Dies spricht eher gegen die Spekulationen, wonach die jüngsten Wahlergebnisse auch Folgen für die Regierung haben könnten. Um jedoch den EU-Vorsitz gut ausüben zu können, brauche man keine Regierungskrise, vielmehr sei ein stabiles Kabinett erforderlich, meinen die Befürworter der Aufrechterhaltung der bisherigen Regierung.

Laut Paroubek sollte Topolaneks Kabinett doch "gehen". Vorzeitige Parlamentswahlen sollten dann gleichzeitig mit den Europa-Wahlen im Frühjahr 2009 stattfinden, wünscht der CSSD-Chef. Um ein Ersetzen der Regierung Topolaneks durchsetzen zu können, dafür hat jedoch die CSSD im Abgeordnetenhaus wenig Kraft, wie die kürzliche Misstrauensabstimmung gezeigt hat.

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