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Politbeben in Hessen erreicht Koalition in Berlin

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Zwischen Wiesbaden und Berlin liegen 570 Kilometer, doch die Ausläufer des Politbebens am Wahlabend erreichten die Koalitionäre in der Hauptstadt schnell.

Kanzlerin Angela Merkel muss zum ersten Mal in ihrer Amtszeit zusehen, wie mit Hessen eine wichtige Säule ihrer Machtbasis ins Wanken gerät.

Absturz von Roland Koch
Mit dem krachenden Absturz von Roland Koch werden auch die Weichen für Merkels Bundestagswahlkampf gestellt: Der markige Polarisierungskurs des strammen Konservativen wurde von den Wählern abgestraft. Die SPD sieht ihren Sozialkurs und die Position von Parteichef Kurt Beck aus demselben Grund gestärkt. Sie rechnet daher mit weiteren Konflikten in der Koalition. Doch intern bleiben Zweifel am Erfolg der linken Profilierung.

Minus zwölf Prozentpunkte
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla gibt die Schlacht um Hessen am frühen Abend zwar noch nicht geschlagen. In der Unionsspitze steht aber schon fest: Der Verlust der absoluten CDU-Mehrheit und Stimmeneinbußen um zwölf Prozentpunkte werden auch der Parteivorsitzenden Merkel angelastet. Denn sie hatte die CDU-Spitze hinter Kochs Pläne für härtere Jugendstrafen gezogen, obwohl die Bundesregierung diese früher schon einmal geschlossen abgelehnt hatte. Diese Taktik ging für Merkel nicht auf, und damit könnte auch ihre Durchsetzungskraft in der Berliner Koalition bei den anstehenden Verhandlungen über Erbschaftsteuer, Bahn-Privatisierung und Gesundheitsfonds beeinträchtigt werden, sagt ein Unionsstratege.

Wiederwahl des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff
Dagegen steht die Wiederwahl des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff, der allerdings ebenfalls empfindliche Verluste einstecken musste. "Wulff hat bewiesen, dass auch in einem Fünf-Parteien-System eine schwarz-gelbe Koalition aus CDU und FDP möglich ist", sagt Vorstandsmitglied Peter Hintze. "Das ist sehr wichtig für 2009."

Bevölkerung ansprechen
Auch für die Bundestagswahl hat der Abend der Union eine Richtung gegeben: "Ein Regierungschef ist gut beraten, stärker im Konsens die gesamte Bevölkerung anzusprechen, als zu sehr zu polarisieren", sagt ein anderer CDU-Stratege. "Das kommt Merkel entgegen. Sie ist eher der Wulff-Typ." Wulff verbucht einen Etappensieg im Rennen um die Rolle des Merkel-Kronprinzen - der rechte Flügel um Koch gerät parteiintern ins Hintertreffen.

"Koch ist weg!"
Nichts verschafft der SPD mehr Genugtuung als die Niederlage des Lieblingsfeinds. "Koch ist weg!" skandierten die Anhänger. Die SPD würde den Rausch dieses Erfolgs am liebsten bis Herbst 2009 behalten. Mit dem Ausgleich von sozialer Gerechtigkeit und Wirtschaftsinteresse habe sie das richtige Thema gesetzt, rief Beck. "Daran werden wir festhalten bei den kommenden Landtagswahlen und bei der Europawahl und der Bundestagswahl!"

Zugleich sinkt bei der SPD die Angst, durch die Große Koalition aus der Defensive in die Bundestagswahl zu gehen: "Wir haben gezeigt, dass wir auch in einer Großen Koalition durchaus in der Lage sind dazuzugewinnen", stellt SPD-Fraktionsvize Klaas Hübner fest. Führende Sozialdemokraten rechnen als Folge der Hessen-Wahl mit Nachbeben im Bündnis mit der Union. "Das klare Profil gewinnt", meint SPD-Vize Andrea Nahles mit Blick auf den Linkskurs ihrer Partei. "Wir sind stolz und selbstbewusst, das wird man auch in den nächsten Monaten spüren", sagt sie in Richtung Koalitionspartner.

Doch hinter dem lauten Jubel gibt es auch leise Zweifel, dass die SPD jetzt klar auf Kurs ist. "Wir haben in Hessen vor allem gewonnen, weil die CDU schlecht war", räumt ein führender Genosse ein. Und die deutliche Niederlage in Niedersachsen habe gezeigt, dass das Thema soziale Gerechtigkeit allein keine Erfolgsgarantie sei. "Eigentlich war es ein Unentschieden", bilanziert er den Wahlabend. "Was daraus folgt, weiß keiner."

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