Hintergrund

Proteste gefährden friedlichen Weg des Dalai Lama

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Mit Umerziehungskampagnen wird der Druck auf die Tibeter erhöht. Zunehmende Repressalien brachten das Fass zum Überlaufen.

Der friedliche Kampf des Dalai Lama für eine weitgehende Autonomie Tibets wird von der gewaltsamen Eskalation der Proteste gegen China auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Die zunehmende Unterdrückung der Tibeter und die Jahrzehnte ohne eine Verbesserung der Lage haben die Menschen unruhig werden lassen. "Wir können die Gefühle der Menschen nicht kontrollieren", sagt die 28-jährige Studentin Tenzin Choedon in Dharamsala, dem Exilsitz des Dalai Lama in Nordindien. "Ich bin für friedliche Proteste", sagte sie. Es könne aber auch zu weiteren gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen.

Gewaltloser Kampf
Seit seiner Flucht 1959 kämpft der Dalai Lama gewaltlos für die Anliegen seines Volkes. 1989 wurde er dafür, zum großen Ärger Pekings, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Wenige Monate vor den Pekinger Olympischen Spielen eskalierte die Lage in Tibet jedoch in den vergangenen Tagen. "Ich fühle mich sehr traurig, (...) ich kann nichts tun. Es ist hoffnungslos", räumte der Dalai Lama am vergangenen Samstag ein. Tenzin Gyatso, wie der 72-jährige 14. Dalai Lama mit seinem persönlichen Namen heißt, steckt in einem Dilemma: Er ist der Gewaltlosigkeit verpflichtet, will die Proteste seiner unterdrückten Mitbürger aber nicht verurteilen. Angesichts der Übermacht Pekings sei "Gewalt wie ein Selbstmord", warnte er. Peking betreibe einen kulturellen Völkermord an seinen Landsleuten.

Ein ranghoher Berater des Dalai Lama, Tenzin Takhla, räumte ein, dass die fruchtlosen jahrelangen Verhandlungen besonders die junge Generation enttäuscht hätten und Gewalt daher nicht auszuschließen sei. Bilder des Dalai Lama sind in Tibet verboten. Die chinesische Regierung versucht, Mönche und einfache Bürger dazu zu bringen, sich von ihm loszusagen. In den vergangenen Monaten nahmen die sogenannten Erziehungskampagnen des kommunistischen Regimes nochmals zu. "Das war ein Schnellkochtopf, in dem die Chinesen aus irgendeinem Grund beschlossen, den Druck sehr stark zu erhöhen", sagt der Tibet-Experte Robbie Barnett von der New Yorker Columbia University. "Es war vorhersehbar, dass so etwas passieren würde."

Peking setzt auf Härte
Peking setzt - trotz der internationalen Aufmerksamkeit - weiter auf Härte. Soldaten, Parteispitzel und Polizisten halten Tibet unter Kontrolle, die Verhandlungen mit den Exil-Tibetern schienen zuletzt nur pro forma weitergeführt zu werden. Die massive Ansiedlung von Han-Chinesen soll die Tibeter zur Minderheit im eigenen Lande machen. Wegen der zunehmenden Repressalien begannen Hunderte Mönche friedlich zu demonstrieren - der Dampfkessel begann zu explodieren. Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao lehnte am Dienstag auf einer Pressekonferenz erneut einen Dialog mit dem Dalai Lama ab. Dessen Gesprächsangebote seien "nichts als Lügen".

Die jüngere Generation der Tibeter, vor allem auch jene, die im Exil leben, sind ungeduldiger als der Dalai Lama. Sie fordern eine Ende der chinesischen Unterdrückung - und das nicht erst in Jahrzehnten. Der Dalai Lama hat in den vergangenen Jahren mehrfach angedeutet, dass er im Exil wiedergeboren werden könnte. Anders als bei einer Reinkarnation in Tibet hätte Peking damit keinen Einfluss mehr auf dessen Werdegang.

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