Georgien-Konflikt

Rice - Russland hält sich nicht an Waffenstillstand

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Russland stellt den Truppenabzug für Montag in Aussicht. US-Außenministerin Rice wirft ihnen vor, sich nicht ans Abkommen zu halten.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew hat für Montag den Abzug der russischen Truppen aus dem georgischen Kernland in die Region Südossetien angekündigt. US-Außenministerin Condoleezza Rice hat Russland vorgeworfen, das Waffenstillstandsabkommen mit Georgien zu missachten. Auch der französische Präsident Sarkozy mischt sich jetzt ein: Er will einen EU-Sondergipfel einberufen.

Medwedew kündigt Truppenabzug aus Kernlands Georgiens für Montag an
Der Abzug russischer Truppen ist einer der wichtigsten Punkte des von der EU vorgelegten Waffenstillstandsabkommens, das inzwischen von Russland und Georgien unterzeichnet wurde. Die Maßnahme betreffe jene Einheiten, die zur Verstärkung der russischen "Friedenstruppen" an der Offensive in Georgien teilgenommen hätten, sagte Medwedew am Sonntag in einem Telefonat mit dem französischen Präsidenten und EU-Ratsvorsitzenden Nicolas Sarkozy, wie die Agentur Interfax meldete.

Kreml-Chef Medwedew forderte die georgische Führung auf, sich streng an die im Friedensplan vorgeschriebene Vereinbarung zum Rückzug der Truppen zu halten. Mit Sarkozy habe er außerdem über die Umsetzung des mit Hilfe Frankreichs ausgearbeiteten Sechs-Punkte-Plans zur Beilegung des Kaukasus-Konfliktes gesprochen

Rice wirft Russland vor, sich nicht ans Abkommen zu halten
Condoleezza Rice warf Russland allerdings vor, sich nicht an das Waffenstillstandsabkommen zu halten. "Es gibt einen Waffenstillstand, und Russland hält sich derzeit nicht daran", sagte Rice. Dem Sender NBC sagte sie, Russland habe mit seiner Offensive in Georgien sein internationales Ansehen "ruiniert".

"Zu weit getrieben"
"Russland hat es zu weit getrieben, es setzte unverhältnismäßige Gewalt gegenüber einem kleinen Nachbarn ein und zahlt nun den Preis dafür", sagte Rice NBC. Deshalb sei Russlands Ansehen als potenzieller Partner in internationalen Institutionen "ruiniert", und zwar auf "diplomatischem, politischem und wirtschaftlichem Gebiet". Zugleich drückte die US-Außenministerin die Hoffnung aus, dass sich Russland an die Zusage halten werde, seine Truppen aus Georgien zurückzuziehen.

Die USA wollen jetzt ihre strategischen Beziehungen zu Russland überdenken. Lesen Sie hier mehr dazu.

Sarkozy für EU-Sondergipfel
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy will einen EU-Sondergipfel einberufen, wenn Russland seine Zusage zu einem Truppenrückzug aus Georgien nicht schnell erfüllt. Der Rückzug der Truppen auf ihre Ausgangspositionen müsse "unverzüglich erfolgen", erklärte Sarkozy in einem Beitrag für die Zeitung "Le Figaro" (Montag).

Lage in Georgien unübersichtlich
Die Militärführung in Moskau dementierte russische Medienberichte aus der Nacht, wonach erste, nicht mehr benötigte Einheiten abrückten. Russische Truppen kontrollierten in Georgien nach Augenzeugenberichten weiterhin die wichtige Verbindungsstraße von der Hauptstadt Tiflis zur nordwestlich gelegenen Stadt Gori. Auch in der westgeorgischen Stadt Senaki, etwa 50 Kilometer vom Schwarzen Meer entfernt, blieben russische Einheiten auf Posten. Die georgische Regierung beschuldigte russische Truppen, fortwährend militärische und zivile Infrastruktur im Land zu zerstören. Moskau hatte ähnliche Proteste der Georgier in den vergangenen Tagen als "Lügen" bezeichnet.

Vor der Mitteilung aus Moskau hatte General Wjatscheslaw Borisow, der als russischer Kommandant für die Gegend um die georgische Stadt Gori verantwortlich ist, erklärt, die russischen Truppen hätten am Sonntag mit dem Rückzug begonnen. "Die Friedenskräfte sind da und die russischen Truppen rücken nach und nach ab", sagte er. Ob sich die russischen Truppen nur aus der Region nahe der Grenze zu Südossetien oder aus dem ganzen georgischen Kernland zurückziehen würden, präzisierte Borisow allerdings nicht. Alle Straßen seien frei für humanitäre Helfer und Georgier, fuhr der General fort.

Merkel drängt auf strikte Einhaltung der Waffenruhe
Merkel will sich nach dem fünftägigen Krieg um Südossetien auch in Tiflis für eine strikte Einhaltung der vereinbarten Waffenruhe einsetzen. Sie hatte bereits am Freitag in Sotschi mit dem russischen Präsidenten Medwedew über Lösungsansätze im Konflikt um die abtrünnigen Provinzen Südossetien und Abchasien gesprochen. Dabei kritisierte sie das Vorgehen der russischen Truppen als unverhältnismäßig. Auf die Umsetzung des Waffenstillstands dringen auch die USA. US-Präsident George W. Bush bekräftigte, Abchasien und Südossetien seien "ein Teil Georgiens". Medwedew hat hingegen die Grenzen der ehemaligen Sowjetrepublik in Frage gestellt.

Der frühere britische Generalstabschef Mike Jackson, der zeitweilig auch die KFOR-Truppen im Kosovo und die UN-Friedensmission in Bosnien-Herzegowina befehligte, fordert vom Westen mehr Verständnis für die russischen Anliegen. Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin sei wegen der Lage der Nachbarstaaten Russlands besorgt, die Mitglied von NATO und EU seien, schrieb Jackson in der "Sunday Telegraph". Im Kosovo habe sich die NATO auf die Doktrin gestützt, dass die Verhinderung einer humanitären Katastrophe - "der ethnischen Säuberung" - durch eine Regierung an ihrer eigenen Bevölkerung wichtiger sein könne als die Souveränität eines Staates. Genau damit rechtfertige Moskau nun seine Intervention in Georgien.

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