Reformvertrag

Sarkozy will EU-Krise noch dieses Jahr lösen

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Der französische Präsident will kein Europa der zwei Geschwindigkeiten. Die Sozialfragen soll weiter in nationaler Hand bleiben.

Der französische Präsident und amtierende EU-Ratsvorsitzende, Nicolas Sarkozy, will die EU-Vertragskrise nach dem gescheiterten irischen Referendum über den Lissabon-Reformvertrag bis Jahresende lösen. "Nichts wäre schlimmer als ein Europa des Stillstandes, ein institutionelles Psychodrama", sagte Sarkozy am Donnerstag bei der Vorstellung seines Programms für die sechsmonatige französische EU-Ratspräsidentschaft im Europaparlament in Straßburg.

Hoffen auf Lösung im Dezember
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten im Juni eine neuerliche Befassung mit der Krise beim nächsten EU-Gipfel im Oktober vereinbart. Die irische Regierung hat aber bereits damals klar gemacht, dass für Herbst noch keine Lösungen zu erwarten seien. Auf eine Lösung hofft Sarkozy spätestens im Dezember. Die Arbeiten hätten bereits begonnen, sagte Sarkozy, der am 21. Juli nach Dublin reisen will. Er glaube nicht, das die Situation völlig blockiert sei. Die Zeit für eine Lösung sei aber noch nicht reif. Beim EU-Gipfel im Dezember müsse es aber eine Lösung geben, schon wegen der Wahlen zum EU-Parlament im Juni 2009.

Gleichzeitig bekräftigte der französische Präsident, dass es ohne den Reformvertrag von Lissabon keine Erweiterung der EU geben könne. Sollte die Grundlage der EU der Vertrag von Nizza blieben, "dann ist dieses Europa ein 'Europa der 27'", sagte er. Er habe die EU-Erweiterung immer unterstützt, aber immer bedauert, dass nicht vorher die entsprechenden Institutionen geschaffen worden seien, um die Erweiterung auch zu schaffen.

Ermahnung des polnischen Präsidenten
Den polnischen Präsidenten Lech Kaszynski mahnte Sarkozy zur Ratifizierung des Lissabon-Vertrags. Wenn jemand in der EU einen Vertrag unterzeichne, müsse er das auch respektieren und zu Hause durchsetzen. Sarkozy warnte vor einem "Europa der zwei Geschwindigkeiten". Dies wäre nur "die allerletzte Lösung". Frankreich werde während seines EU-Ratsvorsitzes versuchen, "die ganze Familie zusammen zu halten".

Als oberste Prioritäten der französischen Ratspräsidentschaft nannte Sarkozy eine Einigung zum Energie- und Klimapaket. Sarkozy bekräftige die Pläne für eine stärkere europäische Einwanderungs- und Verteidigungspolitik. Europa könne nicht international seine Stimme erheben, wenn es nicht imstande sei, seine eigene Verteidigung auf die Beine zu stellen. Er warnte auch vor einem Abbau der EU-Agrarproduktion, "wenn die Welt noch nie so dringend Lebensmittel gebraucht hat".

Skepsis bei Sozialpolitik
Skeptisch zeigte sich der amtierende EU-Ratsvorsitzende trotz Kritik von sozialdemokratischen und linken EU-Abgeordneten gegenüber einer stärkeren Rolle der EU in der Sozialpolitik. Gesundheits-, Sozial-, und Pensionssysteme hätten zuerst eine nationale Dimension, so Sarkozy. "Wenn sich in Deutschland die Parteien nicht auf Mindestlöhne einigen können, darf man doch nicht Europa Scheitern vorwerfen." Auch Österreichs 45 Beitragsjahre für den vollen Pensionsanspruch versus 40 in Frankreich führte der französische Präsident als Beispiel ins Treffen, warum Harmonisierung nichts bringe: Niemand könne erwarten, dass er sich sechs Monate lang in Europa als Ratsvorsitzender für einen Brückenschlag zwischen den unterschiedlichen Beitrittsansprüchen einsetze.

Debatte über Währungspolitik
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) muss sich weiterhin auf Kritik des französischen Staatspräsidenten einstellen. Sarkozy wehrte sich am Donnerstag vor dem Europaparlament gegen Vorwürfe der EZB und der Bundesregierung, er stelle damit die Unabhängigkeit der Bank infrage: "Ich sage das vor allem meinen deutschen Freunden: Jeder hat natürlich seine Überzeugung, aber niemand hat das Recht, eine Debatte zu verhindern", sagte Sarkozy.

Es sei legitim zu fragen: "Was ist die beste Wirtschaftsstrategie, was die beste Strategie in der Geldpolitik und für die Wechselkurse?", erklärte der französische Präsident. "Man stellt nicht die Unabhängigkeit der EZB infrage, nur weil man darüber diskutiert, ob eine Leitzinserhöhung auf 4,25 Prozent vernünftig ist." In diesem Punkt stimmt Sarkozy sogar mit dem deutschen Finanzminister Peer Steinbrück überein. Dieser hat den französischen Präsidenten wegen seiner Äußerungen über die EZB in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, vor der letzten Leitzinserhöhung der Zentralbank aber ebenfalls Bedenken geäußert.

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