"Wolf in Mönchkutte"

Tibetkrise spitzt sich zu - Dalai Lama fordert Dialog

Teilen

Die Tibet-Krise spitzt sich zu. Der Dalai Lama mahnt den Dialog mit Peking an. Berittene Tibeter haben eine Stadt gestürmt.

Die Verbalattacken der chinesischen Führung gegen den Dalai Lama nehmen an Schärfe zu. Der tibetische KP-Chef Zhang Qingli bezeichnete das Exil-Oberhaupt am Mittwoch als "Wolf in Mönchskutte" und "Teufel mit dem Gesicht eines Menschen, aber mit dem Herzen einer Bestie." Der Dalai Lama selbst rief die Tibeter neuerlich zur Gewaltlosigkeit auf und plädierte für einen Dialog zwischen der tibetischen Exilregierung in Indien und Peking.

Peking: "Kampf auf Leben und Tod"
"Wir befinden uns jetzt in einer heftigen Blut-und-Feuer-Schlacht mit der Clique des Dalai Lama, einem Kampf auf Leben und Tod zwischen uns und dem Feind", sagte Zhang laut einem Zeitungsbericht. Der 57-Jährige ist ein enger Vertrauter von Staats- und Parteichef Hu Jintao. Dieser hatte seine Karriere in den 1980er Jahren als KP-Chef in Tibet begonnen. Die Pekinger KP-Zentrale misstraut nichtchinesischen Kadern, auch die Parteichefs der autonomen Regionen sind ausnahmslos Han-Chinesen. "Auch wenn sich die Lage beruhigt, wird die Dalai-Clique nicht von ihren teuflischen Absichten ablassen", wurde Zhang zitiert. Der Kampf gegen den Separatismus werde sehr intensiv sein müssen. Ministerpräsident Wen Jiabao hatte am Vortag dem Dalai Lama vorgeworfen, die jüngsten Unruhen angezettelt zu haben.

Der 14. Dalai Lama, Tenzin Gyatso, ist am Mittwoch in seinem nordindischen Exilort Dharamsala mit Führern von Exil-Tibetern zusammengetroffen. In dem zwanzigminütigen Gespräch habe der Dalai Lama seine langfristigen Überlegungen dargelegt, sagte ein Sprecher. Am Vortag hatte der 72-jährige Friedensnobelpreisträger die Tibeter zum Gewaltverzicht und zu "guten Beziehungen" mit China aufgerufen. Tibeter und Chinesen müssten "Seite an Seite leben", eine vollständige Unabhängigkeit Tibets komme nicht in Betracht. Zugleich kündigte er seinen Rückzug als weltliches Oberhaupt an, falls es zu einer gewaltsamen Eskalation kommen sollte. Die Mitglieder des tibetischen Exilparlaments in Indien haben die Gründung eines "Krisen-Komitees für Tibet" angekündigt.

Nach den Unruhen sollen sich nach chinesischer Darstellung 105 Aktivisten der Polizei ergeben haben. Diese hätten sich an gewaltsamen Ausschreitungen beteiligt, geplündert oder Gebäude in Brand gesetzt, hieß es in einer Meldung der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Die Regierung hatte am Sonntag erklärt, dass alle Teilnehmer an den Protesten, die sich bis Montag freiwillig stellten, mit Milde rechnen könnten. Alle anderen würden hart bestraft.

Berittene Tibeter stürmen Stadt
Mehr als tausend Tibeter, einige von ihnen zu Pferd, haben laut einem Fernsehbericht eine entlegene Stadt in der chinesischen Provinz Gansu gestürmt. Sie hätten ein Regierungsgebäude angegriffen und die tibetische Flagge gehisst, berichtete der kanadische Fernsehsender CTV am Mittwoch. Die Fernsehbilder zeigten jubelnde Tibeter beim Sturm auf eine ungenannte Stadt in der Provinz. Laut dem Bericht forderten sie die Unabhängigkeit Tibets von der Volksrepublik. Schwerbewaffnete Soldaten seien mit Tränengas gegen die Tibeter vorgegangen. Zu sehen war auch, wie eine Gruppe von Menschen die chinesische Flagge von einem Schulgebäude herunterholte und stattdessen die Fahne Tibets hisste. Laut dem CTV-Reporter ereigneten sich ähnliche Szenen auch in anderen chinesischen Städten. Das tibetische Siedlungsgebiet ist nahezu doppelt so groß wie die 1965 von den Kommunisten errichtete autonome Region Tibet; weite Teile des alten Tibet wurden damals an Nachbarprovinzen angegliedert.

Die chinesische Führung hat am Mittwoch die Tibet-Berichterstattung ausländischer Medien kritisiert. Einige westliche Medien hätten absichtlich die Tatsachen verdreht und "schwere Straftaten als eine friedliche Demonstration dargestellt". Die "legitimen Bemühungen zur Aufrechterhaltung der sozialen Stabilität" seien hingegen als "gewaltsame Niederschlagung" bezeichnet worden. Unterdessen wurden ausländische Journalisten weiter daran gehindert, über die Lage in Tibet zu berichten. Der Verband der Auslandspresse in China (FCCC) teilte mit, er habe 30 Verhaftungen und Reiseverweigerungen registriert. Auch Fotografen der US-Nachrichtenagentur AP sowie ein Reporter und Kameramann des Fernsehnachrichtendienstes APTN wurden festgenommen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.