Nach Protesten

Vorgezogene Präsidentschaftswahlen in Georgien

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Der georgische Staatschef Michail Saakaschwili hat für den 5. Jänner 2008 vorgezogene Präsidentschaftswahlen angesetzt.

Die Entscheidung kommt nach massiven Protesten der Opposition gegen Saakaschwili. "Ich habe beschlossen, dass am 5. Jänner in Georgien vorgezogene Präsidentschaftswahlen stattfinden werden", sagte Saakaschwili am Donnerstag in einer im Fernsehen übertragenen Rede an die Nation. Eigentlich war die nächste Präsidentschaftswahl erst im Herbst 2008 vorgesehen.

Öffentliche Gebäude abgeriegelt
Nach der Verhängung des Ausnahmezustandes in Georgien hat das Militär in Tiflis das Parlamentsgebäude und alle umliegenden Straßen abgeriegelt. Soldaten umstellten am Donnerstag auch die Zugänge zu zentralen Plätzen, um Demonstranten an weiteren Protesten gegen Präsident Michail Saakaschwili zu hindern, wie georgischen Medien aus der Hauptstadt berichteten. Vereinzelt kam es im Land zu Studentenprotesten, die aufgelöst wurden. Nur das georgische Staatsfernsehen informierte über die Lage im Land. Regierungskritische Kanäle wie auch die ausländischen Nachrichtensender CNN und BBC World Service wurden abgeschaltet.

Proteste und Kundgebungen
Die georgische Opposition will nach dem Auslaufen des Ausnahmezustands, der zunächst noch zwei Wochen gelten soll, mit neuen Massenkundgebungen gegen die Politik Saakaschwilis protestieren. "Unser Zorn ist ungebrochen. Wir machen auf jeden Fall weiter", sagte der Vorsitzende der Republikanischen Partei, Iwlian Chaindrawa, der Deutschen Presse-Agentur dpa in Tiflis. Durch den brutalen Einsatz gegen friedliche Demonstranten habe Saakaschwili gezeigt, dass das Bild des Westens von ihm als Demokrat falsch sei.

Der Chef der oppositionellen Zukunftspartei, Giorgi Majisaschwili, machte zwar Saakaschwili für die jüngste Krise verantwortlich, räumte aber gleichzeitig ein, dass ein Teil der Gegner des Präsidenten eine "schmutzige" Kampagne führe. Diese stünden in Verbindung mit "zerstörerischen Kräften aus anderen Ländern, die das georgische Volk manipulieren könnten". "Wir müssen das untersuchen", sagte er.

Parlament muss Zustand bestätigen
Der Vizepräsident des georgischen Parlaments, Michail Matschawariani, äußerte die Hoffnung, dass der Ausnahmezustand bald wieder aufgehoben wird. Wenn sich die Lage im Land stabilisiere, werde das Parlament das Dekret des Präsidenten nicht bestätigen. Das georgische Gesetz sieht vor, dass das Parlament innerhalb von 48 Stunden nach Bekanntwerden des Erlasses einen Ausnahmezustand bestätigen muss.

Das georgische Bildungsministerium kündigte an, dass in Tiflis bis zum Wochenende Schulen und Universitäten geschlossen bleiben.

Neue Auseinandersetzungen
Am Mittwochabend spielten sich neue Auseinandersetzungen vor dem Gebäude des Fernsehsenders Imedi-Television ab, der kurz zuvor von Sicherheitskräften gestürmt und geschlossen worden war. Augenzeugen zufolge zerstörten Sicherheitskräfte Ausrüstung des Senders und hielten Pistolen an die Köpfe einiger Mitarbeiter.

Fernsehsender zeigt Bilder der Auseinandersetzungen
Imedi hatte zuvor Bilder des Polizeieinsatzes gegen Demonstranten gezeigt und Erklärungen der Opposition verbreitet, die den Rücktritt des vom Westen unterstützten Saakaschwili und eine Vorverlegung der auf Herbst 2008 verschobenen Parlamentswahl fordert. Saakaschwili hat dies zurückgewiesen und angekündigt, er werde bei der gleichzeitig geplanten Präsidentenwahl 2008 für eine zweite Amtszeit antreten. Die Opposition wirft Saakaschwili einen autoritären Führungsstil sowie ein Scheitern im Kampf gegen Armut und Korruption vor.

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Europarat "zutiefst beunruhigt"
Der Europarat in Straßburg hat sich "zutiefst beunruhigt" über die Verhängung des Ausnahmezustands in Georgien geäußert und alle Parteien zur Mäßigung aufgerufen. Oberste Priorität müsse es nun sein, Provokationen zu verhindern, forderte Generalsekretär Terry Davies am Donnerstag. Die Versammlungsfreiheit sei ein Grundrecht, das durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert werde, betonte Davies. Die georgische Regierung müsse daher jegliche "unverhältnismäßige" Anwendung von Gewalt gegen die Demonstranten unterlassen.

EU fordert Regierung und Opposition zum Dialog auf
Auch die Europäische Union hat Regierung und Opposition in Georgien zum Dialog aufgefordert. "Die Kommission ist besorgt über die Lage in Georgien", sagte eine Sprecherin am Donnerstag in Brüssel. "Der Dialog zwischen allen Konfliktparteien ist der einzige Weg, um die Krise zu lösen." Die Kommission forderte alle Seiten auf, "jede Maßnahme zu vermeiden, die die Spannung noch weiter erhöhen könnte". "Wir hoffen, dass die Krise durch politischen Dialog und bei voller Respektierung der demokratischen Prinzipien von Rede- und Pressefreiheit gelöst werden kann", sagte die Sprecherin. Die diplomatische Vertretung der EU in Tiflis sei vorsichtshalber geschlossen worden.

Auch NATO voller Sorge
Die NATO verfolgte unterdessen die Ereignisse in Georgien "aufmerksam und mit Sorge". Dies erklärte der Generalsekretär des Bündnisses, Jaap de Hoop Scheffer, am Donnerstag in Brüssel. Die NATO forderte alle Beteiligten auf, "sich zurückzuhalten, keine Gewalt anzuwenden und innerhalb der Gesetze zu handeln". Die Verhängung des Ausnahmezustandes und die Schließung von  Medienunternehmen seien "Grund für besondere Besorgnis und stehen nicht im Einklang mit den euro-atlantischen Werten".

Für Moskau "Provokation"
Moskau sprach von einer "unverantwortlichen Provokation", wenn Saakaschwili Moskau eine Einmischung in die Unruhen zur Last lege, erklärte das russische Außenministerium. Das Außenministerium in Tiflis erklärte, Mitarbeiter der russischen Botschaft hätten mit der georgischen Opposition Kontakte unterhalten. Inmitten der gewalttätigen Zusammenstöße zwischen Polizei und Regierungsgegnern beorderte die georgische Regierung ihren Botschafter in Russland, Iraki Tschubinischwili, zu Konsultationen nach Tiflis zurück. Der russische Botschafter Wjatscheslaw Kowalenko wurde ins georgische Außenministerium zitiert.

USA wollen friedliche Lösung
Die USA riefen Georgien zu einer friedlichen Lösung der Krise auf. Der Konflikt müsse "innerhalb der Grenzen des politischen Systems" gefunden werden, sagte Außenamtssprecher Sean McCormack in Washington. Die Berichte über Hunderte Verletzte seien besorgniserregend. Die USA würden stets "das Recht der einzelnen Menschen auf friedlichen Protest und Meinungsäußerung" unterstützen. Die EU-Kommission forderte "alle Seiten" zur "Zurückhaltung" auf. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana schickte seinen Sonderbeauftragten für den Süd-Kaukasus, Peter Semneby, nach Tiflis.

Unverhältnismäßige Gewalt
Menschenrechtler sprachen mit Blick auf das Vorgehen der Polizei von unverhältnismäßiger Gewalt. Dutzende Menschen wurden festgenommen. Gegen zahlreiche Mitglieder der Opposition wurden laut georgischen Medienberichten Strafverfahren wegen Verdachts der Zusammenarbeit mit Geheimdiensten eingeleitet.

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