Streit spaltet Polen

War Lech Walesa ein Spitzel für Kommunisten?

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Lech Walesa gilt als Symbolfigur für den Widerstand gegen den Kommunismus. Ein neues Buch sorgt für Wirbel: Er soll Spitzel gewesen sein.

Knapp die Hälfte der Polen hält ihren Ex-Präsidenten Lech Walesa für einen Lügner und glaubt, dass er in den 70er Jahren trotz seiner Beteuerungen für den Geheimdienst im kommunistischen Polen gearbeitet hat. Das geht aus einer Umfrage des Instituts MillwardBrown hervor, deren Ergebnisse die Zeitung "Dziennik" am Freitag veröffentlichte.

Historisches Symbol
Gleichzeitig halten die Polen Walesas Spitzeltätigkeit, falls sie tatsächlich stattfand, für nicht so schlimm. 60 Prozent geben an, dass sie seinen Beitrag im Kampf gegen das kommunistische Regime in den 80er Jahren nicht schmälere. Besonders hoch ist die Zahl der Verehrer des Nobelpreisträgers unter den 18- bis 24-Jährigen. Von ihnen betrachtet mehr als jeder Dritte Walesa als "historisches Symbol für den Kampf gegen den Kommunismus".

Den Ex-Präsidenten kann das aber nicht beruhigen. "Warum glaubt Ihr den Akten des kommunistischen Geheimdienstes und nicht mir?", fragt er am Freitag in seinem Internet-Blog. Schließlich sei er in den 70er Jahren von seinem Arbeitsplatz entlassen und rund um die Uhr abgehört worden - sogar in seinem Schlafzimmer, so Walesa.

Buch erscheint kommende Woche
Die Vergangenheit des Nobelpreisträgers beschäftigt seit Tagen die polnische Öffentlichkeit, vor allem die politische, gesellschaftliche und kirchliche Elite. In einem Buch von Historikern, das in der kommenden Woche erscheint, heißt es, Walesa habe in den 70er Jahren unter dem Pseudonym "Bolek" Informationen über Regimegegner an der Werft in Gdansk (Danzig) an den Geheimdienst weitergegeben. Das ergebe sich aus Unterlagen des Geheimdienstes.

Walesa und einige Zeitzeugen erklären hingegen, diese Unterlagen seien nicht echt und in den 80er Jahren gefälscht worden, um Walesa zu diskreditieren und die Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn zu verhindern. Eine echte Aufklärung dieses Streits werde es vermutlich nie geben, weil keine eindeutigen Beweise vorlägen, erklärte der Historiker Andrzej Paczkowski.

Auch die politischen Parteien versuchen, Kapital aus dem Streit zu schlagen. Das Buch über Walesa stelle "die historische Wahrheit wieder her", sagte Jaroslaw Kaczynski, Ex-Premier und Vorsitzender der rechtskonservativen Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) am Donnerstag zum wiederholten Mal. Premier Donald Tusk von der rechtsliberalen "Bürgerplattform" (PO) erklärte dagegen, das Buch sei im Auftrag von Walesas politischen Gegnern verfasst.

Kirche stützt Walesa
Einige Kirchenvertreter verteidigen Walesa. Das Buch füge nicht nur ihm Schaden zu, sondern der ganzen polnischen Nation, sagte der emeritierte Danziger Erzbischof Tadeusz Goclowski am Freitag in einem Radiointerview. Goclowski prangerte an, dass heute "die Opfer von damals kritisiert werden, die Offiziere des Geheimdienstes kritisiert aber niemand mehr".

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