Drogenkrieg?

Weiter keine Spur von Geiseln im Jemen

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Religionsgelehrte haben die Entführung der sechs verbliebenen europäischen Geiseln im Jemen hart kritisiert. Medien spekulieren inzwischen über einen "Drogenkrieg".

Von den sechs verbliebenen europäischen Geiseln im Jemen fehlt weiterhin jede Spur. Die Suche nach der fünfköpfigen deutschen Familie mit drei Kleinkindern und einem Briten unter den Entführungsopfern, an der Stammesangehörige, Regierungstruppen und Rebellen teilnehmen, läuft auf Hochtouren: Laut Innenministerium in der Hauptstadt Sanaa wurde die Belohnung für Hinweise auf das Versteck der Geiselnehmer auf 250.000 US-Dollar (181.000 Euro) erhöht. Die Gemeinschaft der islamischen Geistlichen im Jemen hat die Geiselnahme und Ermordung der drei ausländischen Helferinnen in dem arabischen Land unterdessen scharf verurteilt.

Übles Verbrechen
"Es ist ein übles Verbrechen, diese Menschen zu entführen und Frauen zu töten, die in einem Krankenhaus arbeiteten, um den Menschen zu helfen", hieß es in einer Erklärung der Religionsgelehrten, die am Dienstagabend von der staatlichen Nachrichtenagentur SABA verbreitet wurde. Der Mord an den zwei deutschen Frauen und der koreanischen Lehrerin widerspreche nicht nur den Prinzipien des Islam sondern auch den Traditionen der Araber "seit den Tagen des Propheten Mohammed".

Die Gruppe war am Freitag während eines Ausfluges in der nordwestlichen Provinz Saada verschleppt worden. Am Montag fanden Hirten in einem Tal die Leichen von zwei deutschen und der südkoreanischen Frau. Die Ausländer hatten alle im Jumhuri-Krankenhaus in Saada gearbeitet. Bisher hat sich niemand als Geiselnehmer zu erkennen gegeben.

Der frühere Staatssekretär im deutschen Außenamt Jürgen Chrobog, der 2005 mit seiner Familie selbst Opfer einer Geiselnahme im Jemen war, sieht den Fall als "blanken Terrorismus". Zwar seien Geiselnahmen im Jemen "Teil der Kultur". In den meisten Fällen wollten die Entführer aber die eigene Regierung unter Druck setzen, Gefangene freipressen oder Investitionen durchsetzen. Zu ihren Geiseln seien sie sehr gastfreundlich und ließen diese frei, sobald ihre Forderungen erfüllt seien. Das habe er am eigenen Leibe erfahren. Im aktuellen Fall seien aber keinerlei Forderungen bekanntgeworden.

Tiefe Bestürzung
Der Vater einer der getöteten Frauen zeigte sich tief bestürzt. "Sie war ein Engel", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch). Diejenigen, die seiner Tochter das angetan hätten, seien "skrupellose Verbrecher, die möchten, dass wir leiden". Er hoffe nun, dass die übrigen Geiseln mit dem Leben davonkommen. Er habe mit seiner Tochter einen Tag vor der Entführung zum letzten Mal am Telefon sprechen können, sagte der Vater. "Sie war sehr glücklich, den Menschen im Jemen helfen zu können." Die beiden getöteten deutschen Frauen stammen aus Niedersachsen. Sie waren Studentinnen einer Bibelschule und arbeiteten als Pflegehelferinnen in dem Krankenhaus in Saada.

Wer hinter der Entführung steckt, ist nach wie vor völlig unklar. In jemenitischen Medienberichten war am Dienstag von einem Machtkampf zwischen einem lokalen Drogenschmuggler und den Sicherheitskräften in Saada die Rede. Nach dieser offiziell nicht bestätigten Version sollen die Ausländer angeblich von einem Drogenboss als Faustpfand entführt worden sein, um die Behörden zur Herausgabe einer in der vergangenen Woche beschlagnahmten großen Drogenlieferung zu zwingen. Die Regierung sei darauf nicht eingegangen, weshalb die Entführer zunächst die Frauen ermordet hätten. Beobachter in Saada halten es aber auch für möglich, dass islamistische Extremisten der Al-Kaida die Ausländerinnen umgebracht haben.

In der Hauptstadt Sanaa traf nach Angaben aus jemenitischen Sicherheitskreisen am Dienstag ein deutsches Ermittlerteam ein. Ein zweites Team, zu dem auch Ärzte gehörten, werde noch erwartet, hieß es.

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