Stockholm-Anschlag

"Wir erlebten den Bomben-Terror"

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Ein junges Paar aus Traiskirchen erlebte den Anschlag hautnah mit.

Seit Wochen warnen die Sicherheitsbehörden vor Anschlägen von Islamfanatikern. Nun ist es geschehen. In der schwedischen Hauptstadt Stockholm sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft – nur durch Glück ist es zu keinem Blutbad gekommen.

Samstagnachmittag zündete der junge Iraker zuerst in der belebten Einkaufsstraße Drottninggatan im Zentrum der Stadt eine Autobombe: „Ein lauter Knall, ein Feuerschein“, erzählt eine geschockte junge Frau der Zeitung Dagens Nyheter. Die Frau wurde von der Druckwelle umgerissen, blieb aber unverletzt.

Selbstmordattentat in Stockholm


Dann rannte der Terrorist in die weihnachtlich geschmückte Fußgängerzone der schwedischen Hauptstadt. Menschenmassen schoben sich durch die Einkaufsmeile. Vorweihnachtsfreude. Unter seiner Jacke trug der Attentäter sechs Rohrbomben, in einem Rucksack und in den Hosentaschen hatte er Nägel, Metallteile: „Er wollte möglichst viele Menschen töten“, sagt Anti-Terrorexperte Rolf Tophoven, „ein anderes Ziel haben islamistische Attentäter nicht. Sie wollen den Massenmord.“ (Siehe Interview.)

Direkt vor einem Geschäft zündete der Iraker die erste von sechs Rohrbomben. Nur diese eine explodierte, bei den anderen funktionierte der Zündmechanismus nicht. Der Attentäter wurde getötet, zwei Passanten leicht verletzt. Die Geschäftsstraße war schlagartig voller Rauch. Ein Mann stürmte zu dem Attentäter: „Ich habe ein Palästinensertuch von seinem Gesicht entfernt, um seine Atemwege freizulegen, doch es war zu spät.“

Attentäter wollte ein Massaker vor Weihnachten
Nur wenige Minuten vor den Anschlägen gingen bei der schwedischen Nachrichtenagentur TT und der Polizei E-Mails samt Audiodateien ein. Ein Mann spricht auf Schwedisch und Arabisch. Er bedroht in der Tonaufnahme die schwedische Regierung wegen des Engagements in Afghanistan (500 Schweden sind am Hindukusch stationiert): „Jetzt werden eure Kinder, Töchter und Schwestern genauso sterben wie unsere Brüder, Schwestern und Kinder.“ Es gilt als gesichert, dass der spätere Attentäter die Audiodateien verschickt hat.

„Es hätte ein Massaker geben können“, sagt Rolf Tophoven, „wären alle Rohrbomben explodiert. Al-Kaida-Sympathisanten wollen den weltweiten Schock, das Herunterzählen von Todesopfern ist ihr großes Ziel.“

Ob auch in Österreich ein Anschlag dieser Art möglich sei? Tophoven: „Österreich ist weder im Irak noch in Afghanistan engagiert. Das senkt die Terrorgefahr um ein Vielfaches.“ Er warnt aber auch: Terroristen würden ganz gezielt Anschläge in der Weihnachtszeit planen. Im Visier seien Weihnachtsmärkte und -feiern.


"Wir hatten unfassbares Glück"

Der IT-Organisator Dieter Dögl (31) und seine Freundin Katharina Kovacevic (22) entgingen den Anschlägen in Stockholm nur knapp.

ÖSTERREICH: Sie sind soeben in Wien gelandet. Wie geht es Ihnen?
Dieter Dögl: Der Schock sitzt uns noch in den Knochen. Diese Erlebnisse in Stockholm müssen wir erst einmal verarbeiten. Jetzt sind wir einfach nur froh, dass wir gut zu Hause gelandet sind. Das hätte am Samstag auch alles noch ganz anders ausgehen können.

ÖSTERREICH: Was haben Sie in Stockholm erlebt?
Dögl: Eigentlich sollte das ein ganz normaler Städtetrip sein, den wir schon lange geplant hatten und auf den wir uns sehr freuten. Die ersten Tage haben wir Museen und Sehenswürdigkeiten besichtigt. Aber am Samstag wollten wir uns ins Getümmel stürzen und richtig für Weihnachten shoppen gehen. Die Straßen waren voll, die Stimmung gut …

ÖSTERREICH: Was ist dann passiert?
Dögl: Wir wussten zuerst überhaupt nicht, was los war. Auf einmal war überall auf einmal Polizei, Blaulicht, Rauch. Die Straßen wurden abgesperrt, die U-Bahn fuhr nicht. Aber man denkt ja nicht gleich an so etwas Schreckliches wie einen Anschlag.

ÖSTERREICH: Wo befanden Sie sich zum Zeitpunkt der Anschläge?
Dögl: Ganz in der Nähe, aber in einem Geschäft drinnen. Ich danke meiner Freundin, dass sie so Shopping-begeistert ist. Eigentlich wollten wir schon wieder ins Hotel zurückgehen und uns für den letzten Abend herrichten. Doch Katharina wollte noch unbedingt in ein Geschäft hinein. Sonst wären wir genau zur Anschlagszeit dort gewesen, wo es passiert ist. So haben wir wegen der lauten Weihnachtsmusik die Explosion gar nicht gehört. Es ist uns beiden erst nach und nach bewusst geworden, was wir für ein unfassbares Glück hatten.

ÖSTERREICH: Können Sie sich vorstellen, noch einmal nach Schweden zu fahren?
Dögl: Eigentlich wollten wir schon nächsten Sommer wieder hin, weil die Stadt so toll ist. Jetzt müssen wir diesen Schock erst einmal verkraften. Aber man darf sich nicht verrückt machen lassen. Es hat schon in allen Metropolen Anschläge gegeben.
 

Anti-Terrorexperte R. Tophoven warnt: ‚Angriffe auf Weihnachten‘

ÖSTERREICH: Rohrbomben im Weihnachtstrubel – was steckt hinter dem Anschlag?
Rolf Tophoven: Das war wohl ein Einzeltäter mit militant islamistischem Hintergrund, der sich selbst radikalisiert hat. Von diesen Personen geht die tödlichste Gefahr aus – der nette Mann von nebenan, der zum Bomber wird.

ÖSTERREICH: War der Zeitpunkt gezielt gewählt?
Tophoven: Ja, die Täter wollen ganz bewusst die friedlich sentimentale Stimmung in dieser Zeit treffen. Sie suchen Weihnachtsmärkte, Weihnachtsfeiern. Lockerbie war zu Weihnachten, der sogenannte Unterhosenbomber wollte zu Weihnachten morden. Das sind gezielte Angriffe gegen christliche Werte.

ÖSTERREICH: Wie sollen wir darauf reagieren?
Tophoven: Die Leute in Österreich sollen sich jetzt nicht in Panik versetzen lassen und alle Märkte meiden. Wäre dem so, hätten die Terroristen schon gewonnen.

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Selbstmordattentat in Stockholm