US-Wahl

Obama plant den Frontalangriff

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Der demokratische Präsidentschaftskandidat will die Verbündeten in die Pflicht nehmen - und die Republikaner in ihren Hochburgen attackieren.

Die Einzelheiten seiner Reise nach Deutschland und in andere europäische Länder stehen noch nicht fest, nur eins hat Barack Obama bereits klargemacht: Mit Gesprächspartnern aus der zweiten Reihe will er sich erst gar nicht abgeben. Wenn der mögliche nächste US-Präsident demnächst in Berlin, London und Paris einfliegt, will er gleich Tacheles reden - so soll beispielsweise das Thema Afghanistan angesprochen werden. Der Senator, der bereits unlängst stärkeres Engagement etwa der Deutschen in afghanischen Kampfgebieten forderte, plant auch ansonsten den Frontalangriff.

Neue politische Geografie
Wie die "Washington Post" am Sonntag berichtete, will er für die Wahl am 4. November so etwas wie eine "neue politische Geografie" schaffen. Im Klartext: Die Republikaner sollen selbst in ihren Hochburgen herausgefordert werden - Rekord-Wahlkampfspenden scheinen Obama derzeit alles zu ermöglichen.

Angriff auf McCain
Die Strategie Obamas ist geradezu revolutionär und verspricht eine noch nie dagewesene Materialschlacht: Er will seinen Gegner John McCain selbst in solchen Bundesstaaten angreifen, in denen die Republikaner seit Jahrzehnten die Oberhand haben - darunter etwa North Carolina, Missouri und Virginia. Statt den Wahlkampf wie üblich auf einige Schlüsselstaaten, die abwechselnd für die Republikaner oder Demokraten stimmen ("swing states"), zu konzentrieren, greift Obama auf breiter Front an - in allen 50 Bundesstaaten.

Raffinierte Strategie
"Er schickt bezahlte Vollzeit-Wahlhelfer in alle Bundesstaaten", berichten Experten der "New York Times" mit Staunen. "Ein ungewöhnlicher Zug in modernen Präsidentschaftskampagnen." Das Raffinierte der Strategie: Das Obama-Team, meinen Insider, rechnet dabei nicht unbedingt damit, am Wahltag in vielen republikanischen Hochburgen tatsächlich den Sieg zu schaffen. Ziel sei es vielmehr, den 71-jährigen McCain unter Druck zu setzen "und dazu zu zwingen, Zeit und Geld in diese Regionen zu investieren".

Finanzieller Vorsprung
Die entscheidende Voraussetzung für diese Strategie ist der dramatische finanzielle Vorsprung Obamas. Sein Budget bis zum Jahresende dürfte aufgrund der riesigen Zahl von privaten Kleinspenden 300 Millionen Dollar (190 Mio. Euro) übersteigen, McCain beschränkt sich dagegen auf die öffentlichen Zuwendungen in Höhe von 81 Millionen. "Diese enormen Finanzressourcen geben einem mannigfache strategische Optionen an die Hand", schwärmt ein Insider der Demokraten. Es heißt, Obama investiere erhebliche Gelder in Bundesstaaten wie Georgia, Indiana und Alaska, in denen ebenfalls seit Jahren kein Demokrat mehr gewonnen hat.

Schmutzkampagne
Weiterer Aspekt der Obama-Strategie: Auf die befürchtete Schmutzkampagne gegen ihn will er (ganz im Unterschied zum demokratischen Verlierer 2004, John Kerry) umgehend und mit geballter Macht vorgehen - einschließlich sofort geschalteter TV-Spots. Immer wieder haben gegnerische "Büchsenspanner" etwa in den vergangenen Wochen das Gerücht gestreut, Obama sei Muslim, auch unter Verweis auf seinen Mittelnamen Hussein. "Jeden Versuch, ihn in der Öffentlichkeit falsch darzustellen, werden wir frontal mit neuen TV-Spots beantworten", sagt Valerie Jarrett aus dem engsten Kreis der Obama-Vertrauten.

Europa-Reise
Auch die Deutschland- und Europa-Reise hat eine zentrale Funktion: Der 46 Jahre junge Obama muss unbedingt das Image des außenpolitisch Unerfahrenen abstreifen. Schließlich will McCain, der Vietnam-Veteran, sich als Außen- und Sicherheitsexperte profilieren. Es ist daher zu erwarten, dass der charismatische Obama in Berlin durchaus mit Härte auftritt. Schon vor ein paar Monaten hatte er einmal mit Blick auf Berlin gewarnt, es sei nicht akzeptabel, dass die USA und Großbritannien in Afghanistan "die Drecksarbeit machen" - Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel schwieg damals vielsagend. Mehr als nur Kopfschütteln in Deutschland erntete der schwarze Senator vergangene Woche mit seiner Aussage, Vergewaltiger von Kindern sollten die Todesstrafe erhalten. Ob sich Obama, der von vielen Deutschen schon mit dem jungen John F. Kennedy verglichen wird, als schwieriger Gesprächspartner herausstellt?

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