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Die Chronologie des Hypo-Debakels

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Ende 2008 muss der Staat das erste Mal aushelfen. Hier die Chronologie der Ereignisse.

Für die Rettung der schwer angeschlagenen Kärntner Hypo Group Alpe Adria Bank (HGAA) ist Montagfrüh nach einem dramatischen Verhandlungs-Marathon übers Wochenende eine Not-Verstaatlichung beschlossen worden. Den Alteigentümern kauft die Republik ihre Anteile für symbolische drei Euro ab, allerdings müssen BayernLB, GraWe und Land Kärnten ebenfalls noch Kapital einschießen.

Die Kärnten-Hypo war seit langem in Turbulenzen. Im folgenden eine Chronologie der Ereignisse.

1992: Knapp nachdem das Land Kärnten die Grazer Wechselseitige Versicherung (GraWe) als Miteigentümer ins Boot geholt hatte, beläuft sich die Bilanzsumme der Bank auf gerade einmal 1,87 Mrd. Euro (25,8 Mrd. Schilling). Wolfgang Kulterer wird als Vorstand installiert, die Hypo in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Unter Kulterer beginnt eine atemberaubend schnelle Expansion auf dem Balkan.

In rascher Folge werden Beteiligungen gekauft und Bankentöchter in Südosteuropa gegründet. 2005 ist die Bilanzsumme bereits auf 24,23 Mrd. Euro gepusht, 2008 liegt sie bei 42,3 Mrd. Euro. Ende 2008 muss der Staat das erste Mal aushelfen.

2006: Im März werden teure Swap-Verluste bekannt, Kulterer gerät unter Druck. In der Folge muss die Bilanz 2004 neu erstellt werden, sie ist negativ. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) zeigt den gesamten Bankvorstand (Wolfgang Kulterer, Günther Striedinger und Thomas Morgl) wegen Bilanzfälschung an. Bald darauf treten Kulterer und Striedinger zurück. Siegfried Grigg übernimmt das Ruder, Kulterer wechselt an die Spitze des Aufsichtsrates und zieht im Hintergrund weiter die Fäden. Ein Börsengang wird zwar offiziell nicht abgeblasen, ist aber bereits vom Tisch. Im Dezember steigt der deutsche Investor Tilo Berlin mit 125 Mio. Euro von "vermögenden Privatpersonen" mit 4,5 Prozent bei der Bank ein.

2007: Die Grawe kündigt an, einen Teil ihrer Hypo-Anteile an Berlin zu verkaufen. Hinter den Kulissen laufen bereits Gespräche mit BayernLB-Chef Werner Schmidt, den Berlin von gemeinsamen Vorstandsjahren bei der baden-württembergischen Landesbank kennt. Nach weiteren 125 Mio. Euro Kapitaleinsatz hält Berlin bereits die Sperrminorität. Im Mai wird die Bank um 1,62 Mrd. Euro an die vom damaligen Landeshauptmann Jörg Haider (B) favorisierte BayernLB verkauft. Binnen kurzer Zeit verdient die Gruppe um Berlin mit dem Deal rund 150 Mio. Euro. Eine Untersuchung des Verkaufs im Kärntner Landtag bringt zunächst keine wesentlichen Erkenntnisse. Die BayernLB hält nun knapp über 50 Prozent, die Grawe 26,45 Prozent, das Land 20 Prozent, die Hypo-Alpe-Adria-Mitarbeiterstiftung 3,33 Prozent und Berlin & Co 0,22 Prozent. Ende November muss die BayernLB erstmals in ihre Kärntner Tochter gut 440 Mio. Euro frisches Kapital pumpen, die Grawe knapp 160 Mio. Euro.

2008: Im November bekennen sich Kulterer und Morgl der Bilanzfälschung schuldig. Striedinger beharrt auf seiner Unschuld. Morgl nimmt Diversion an, Kulterer wird zu 140.000 Euro Geldstrafe verurteilt, Striedinger später zu 88.000 Euro Geldstrafe und vier Monaten bedingt. Er beruft dagegen. Die Bayern schießen wegen der Finanzkrise noch einmal 700 Mio. Euro in die Hypo. Morgl tritt per Jahresende zurück. Aus dem Bankenhilfspaket erhält die Hypo Group 900 Mio. Euro PS-Kapital vom Staat, der Anteil des Landes sinkt weiter und liegt nur noch bei 12,42 Prozent. Die BayernLB besitzt nun mehr als 67 Prozent.

2009:

18. März: Die BayernLB bereitet gravierende Veränderungen in der Konzernstruktur vor. Berlin wirft das Handtuch und scheidet per April aus der Hypo aus.

25. März: Die BayernLB weist für 2008 einen Nettoverlust von 5,1 Mrd. Euro aus, hält aber vorerst an der Kärntner Tochter fest.

1. April: Der zuvor von der ÖVAG zurückgetretene Banker Franz Pinkl wechselt an die Spitze der Hypo.

23. April: Die Bank schließt das Jahr 2008 mit einem Nettoverlust von 520 Mio. Euro ab, eine "Gesundschrumpfung" steht an.

25. August: Für das erste Halbjahr schreibt die Hypo einen Verlust von 162 Mio. Euro.

14. Oktober: Hausdurchsuchungen in Bayern und Kärnten: Die Münchner Staatsanwaltschaft hegt den Verdacht, dass die BayernLB um 400 Mio. Euro zu viel für die Hypo gezahlt haben.

27. Oktober: Asset Screening in der BayernLB, auch HGAA im Fokus der KPMG-Wirtschaftsprüfer. Damit tauchen "Leichen" im Keller der Hypo auf.

10. November: Die Hypo Group gibt bekannt, für 2009 voraussichtlich ein Minus von "deutlich mehr als einer Milliarde" Euro zu schreiben. Die Bank benötigt eine neue Kapitalspritze in der Höhe von rund 1,5 Mrd. Euro. Will bis 10./11. Dezember bekannt geben, wie das frische Kapital zufließt; für diese Tage werden Aufsichtsratssitzung und ao HV anberaumt.

11. November: Der Poker um die Hypo eskaliert: Die Bayern wollen, dass die Miteigentümer - Land Kärnten und Grawe - mitzahlen. Kärnten verlangt, dass der Bund der Bank unter die Arme greift. In Finanzkreisen wird der Kapitalbedarf auf 1,5 bis 2 Mrd. Euro geschätzt.

16. November: Sonder-Aufsichtsratsitzung in München. Kärnten bekräftigt, bei der Kapitalspritze nicht mitmachen zu wollen. Den Zukunftsfonds, in dem die Erträge aus dem Hypo-Verkauf geparkt sind, will das Land weiter nicht anrühren.

19. November: Das Bilanzloch der HGAA ist so groß, dass sie nach den Milliardenabschreibungen per Jahresende unter die Mindest-Kernkapitalquote fällt. Die Bankenaufsicht setzt ein Ultimatum: Wird die Kapitalnot bis Anfang Dezember nicht beseitigt, wird der Finanzkonzern ein Fall für die Behörde. Das Land Kärnten verlangt vom Bund ein "Hilfspaket 2". Finanzminister Josef Pröll (V) sieht die Eigentümer in der Pflicht.

22. November: Es wird bekannt, dass die HGAA die Staatshilfen Ende 2008 nach einer wohlwollenden Prüfung der Nationalbank (OeNB) erhalten hat.

27. November: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer will für die Hypo Unterstützung vom Bund in Österreich und Deutschland.

2. Dezember: Einem internen Prüfbericht zufolge hat die BayernLB die HGAA zu teuer und ohne sorgfältige Prüfung gekauft. Im Juli korrigierte die Prüferin Corinna Linner allerdings ihre Darstellung vom Mai. Der bayrische Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) gerät unter Druck, muss sich gegen Vertuschungsvorwürfe wehren.

3. Dezember: Fahrenschon nennt den Hypo-Kauf öffentlich einen "Fehler".

4. Dezember: Moody's senkt das Finanzstärkerating der Hypo auf E, auf Schrottstatus. Grund: Der Streit um die Kapitalaufbringung und die unsichere Zukunft der Bank.

7. Dezember: Die Verhandlungen über eine Staatshilfe laufen auf Hochtouren, die Bank legt dem Wiener Finanzministerium das seit langem eingeforderte Fortführungskonzept vor.

8. Dezember: Die bayerische Opposition bringt mehrere Strafanzeigen gegen für den HGAA-Kauf Verantwortliche ein, auch Tilo Berlin ist darunter.

9. Dezember: Pröll signalisiert, keine Sparer im Regen stehen lassen zu wollen. Ohne Vorleistung der Eigentümer werde es aber keine Hilfe des Bundes geben. Die Dauerverhandlungen um die Lastenteilung laufen auf Hochtouren. Verschiedene Modelle werden durchgerechnet. Die BayernLB hat mitsamt Krediten an die Hypo mittlerweile mehr als 6 Mrd. Euro in der Kärnten-Bank.

10. Dezember: Verbales Tauziehen zwischen Wien und München: Österreichs Polit-Spitze betont, vor einer Bundes-Hilfe müssten konstruktive Vorschläge von den Eigentümern zur Hypo-Rettung kommen. Bayerns Finanzminister BayernLB-Aufsichtsratschef Georg Fahrenschon (CSU) wiederum sagt, aus seiner Sicht sei jetzt einmal Wien am Zug. Ein Expertenpapier bringt indes zutage, dass der Hypo in den nächsten fünf Jahren 3,1 Mrd. Euro an Risikovorsorgen drohen.

11. Dezember: Hektische Verhandlungen seit den frühen Morgenstunden: In Klagenfurt tagt Freitag früh erneut der Aufsichtsrat der Kärntner Landesholding, danach beginnt eine ao HV der Hypo Bank, die am Nachmittag aber wegen des Beginns der politischen Gespräche im Wiener Finanzministerium unterbrochen wird. Der Streit um die rettende Hypo-Milliardenspritze ist ab sofort Chefsache. Finanzminister Pröll betont aber, der Bund wolle die Hypo mit ihren Problemen nicht als Geschenk, auch nicht so kurz vor Weihnachten.

12. Dezember: Außer Bayerns Finanzminister Fahrenschon nimmt am Samstag auch der schon Freitagabend in Wien eingetroffene BayernLB-Chef Michael Kemmer an den Hypo-Rettungsgesprächen im Wiener Finanzministerium teil.

13. Dezember: Sonntagnachmittag werden die Krisengespräche im Finanzministerium zur Hypo-Rettung fortgesetzt, allen Teilnehmern ist "der Ernst der Lage bewusst". Abends gewinnen die Gespräche an Dramatik, doch die Zusagen heimischer Großbanken, deren Chefs persönlich erschienen sind, bringen wieder Bewegung in die stockenden Rettungsversuche. An den Details muss noch die gesamte Nacht über bis Montagfrüh gefeilt werden. Auch EZB-Präsident Jean-Claude Trichet war wieder telefonisch eingeschaltet, er warnte vor einem Dominoeffekt, sollte die Hypo zusammenbrechen.

14. Dezember: Um 7.30 Uhr früh verkündet Pröll die Einigung: Eine Pleite der Hypo ist abgewendet, sie wird notverstaatlicht. Die bisherigen Eigentümer stellen 1,05 Mrd. Euro Kapital zur Verfügung, außerdem erhält die Bank von ihnen gut 3,4 Mrd. Euro an Liquidität. Der Bund schießt bis zu 450 Mio. Euro ein. Andere heimische Systembanken stellen 500 Mio. Euro zur Verfügung. OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny begrüßt die Rettung, übt aber scharfe Kritik am bisherigen Haupteigentümer BayernLB. Bayerns Ministerpräsident Seehofer beruft nach dem Milliarden-Desaster bei der Österreich-Tochter der Bayern-Bank für Montagnachmittag eine Krisensitzung des Kabinetts in München ein.

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