104 Tage U-Haft

Tierschützer wurden heute freigelassen

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Die Oberstaatsanwaltschaft ordnete die Enthaftung der Tierschützer an, die im Verdacht stehen, eine kriminelle Organisation gebildet zu haben.

Die Oberstaatsanwaltschaft(OStA) Wien hat im Zuge der Überprüfung einer Haftbeschwerde und nach Fallerörterung mit Vertretern der zuständigen Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt diese angewiesen, die Enthaftung der Tierschützer des "Vereins gegen Tierfabriken" zu beantragen, die seit Ende Mai unter dem Verdacht in U-Haft sitzen, eine kriminelle Organisation gebildet zu haben.

"Würde das morgen wieder machen"
Gleichermaßen erleichtert und gezeichnet von 104 Tagen U-Haft präsentierte sich Martin Balluch, der als Hauptverdächtiger der wegen Bildung bzw. Beteiligung an einer kriminellen Organisation monatelang festgehaltenen Tierschützer gilt, am Dienstagnachmittag unmittelbar nach seiner Enthaftung vor dem Wiener Landesgerichtlichen Gefangenenhaus. Die gegen ihn gerichteten Vorwürfe bezeichnete er als "völlig nicht nachvollziehbar".

Balluch kündigte an, seine Tierrechts-Aktivitäten auf jeden Fall fortsetzen zu wollen: "All das, was ich gemacht habe, ist vollkommen legal! Ich habe nichts eingeschlagen, nie etwas beschädigt, zu keinen Verbrechen aufgerufen! Das, was ich gemacht habe, würde ich morgen wieder machen!"

Schwere Vorwürfe gegen Polizei
Martin Balluch, der Obmann des "Vereins gegen Tierfabriken", erhob schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Diese hätte bewusst gegen ihn ermittelt und Aussagen, die übers Internet Verbreitung fanden, aus dem Kontext gerissen, sagte der Tierrechts-Aktivist unmittelbar nach seiner Enthaftung: "Die Polizei stellt es so hin, als hätte ich etwas Strafbares gemacht."

"Polizei wollte Verdachtslage konstruieren"
Er widme sich seit elf Jahren eingehend dem Tierschutz. Natürlich habe er "ab und zu eine radikale Meinung geäußert". Im Hinblick auf das Recht auf freie Meinungsäußerung sei das aber zulässig, meinte Balluch. Ihm nun beispielsweise den Satz "Ich freue mich über den Ruin der Tierindustrie" zum Vorwurf zu machen, sei demgegenüber "ein Wahnsinn": Die Zusammenhänge, das, was er vorher und nachher gesagt habe, fehle in den Akten vollständig. "Der Satz ist einfach aus dem Kontext gerissen worden", betonte Balluch. Die Polizei habe offenbar eine Verdachtslage konstruieren wollen.

Die Polizei mache ihm weiters zum Vorwurf, seinen Computer verschlüsselt und haufenweise Datenmaterial gesammelt zu haben. Auch darin sei nichts Unrechtes zu erblicken: "Die Akten und Daten, die vielleicht zu einem halben Prozent auch Informationen über kriminelle Fälle enthalten, muss ich als Tierschutzexperte haben!" Er bzw. sein Verein hätten niemals gegen die Gesetze verstoßen.

Auf die Frage, wie es ihm im Gefängnis ergangen sei, erwiderte Balluch: "Es war ein Wahnsinn! Ich kann das gar nicht in Worte fassen." Er sei 104 Tage lang unter falschen Anschuldigungen der Freiheit beraubt worden, sei jetzt das Sonnenlicht gar nicht mehr gewohnt. Die nunmehrige Freilassung sei für ihn "völlig überraschend" gekommen: "Ein Wärter ist auf mich zugekommen und gesagt, ich soll meine Sachen z'sammpacken und kann jetzt gehen."

U-Haft steht in keinem Verhältnis zum Srtafausmaß
Es bestehe zwar nach wie vor Tatbegehungsgefahr, doch dürfe die U-Haft nicht fortgesetzt werden, "wenn sie zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht." Genau davon geht die OStA im gegenständlichen Fall offenbar aus. Der zweite ursprünglich geltend gemachte Haftgrund der Verdunkelungsgefahr ist durch das Gesetz mit zwei Monaten begrenzt. Diese Frist ist längst abgelaufen.

Die OStA macht darauf aufmerksam, dass mittlerweile wesentliche Beweismittel sichergestellt und nun auszuwerten sind, "so dass eine Inhaftierung der Beschuldigten als Maßnahme zur Sicherung des Verfahrens nicht - mehr - erforderlich ist".

Geheimprotokolle werden veröffentlicht
Geheime Abhörprotokolle jener Sonderkommission, welche gegen die am Dienstag freigelassenen Tierschützer ermittelte, veröffentlicht das Nachrichtenmagazin "News" in seiner am Donnerstag erscheinenden Ausgabe. Ins Visier der Beamten geriet auch Madeleine Petrovic, Klubobfrau der niederösterreichischen Grünen und Präsidentin des Wiener Tierschutzvereines.

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