Kriegsrecht verhängt

Polizei geht gegen Demonstranten in Pakistan vor

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Die Gewaltspirale in Pakistan dreht sich weiter: Demonstranten sind trotz Ausnahmezustand auf der Straße. Die Polizei geht gegen sie vor.

Bei der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste gegen die Verhängung des Ausnahmezustandes in Pakistan sind am Montag mehrere Anwälte verletzt worden. Wie ein Augenzeuge berichtete, feuerte die Polizei in der ostpakistanischen Stadt Lahore Tränengasgranaten auf demonstrierende Juristen. Anschließend habe sie mit Knüppeln auf die Anwälte eingeschlagen. Die Juristen hatten sich im Hohen Gericht von Lahore versammelt und gegen die Verhängung des Ausnahmezustandes durch den pakistanischen Machthaber Pervez Musharraf protestiert. Mehrere Opfer hätten Kopfverletzungen davongetragen, berichtete ein Augenzeuge telefonisch aus Lahore.

Ausnahmezustand verhängt
Musharraf hatte am Samstag den Ausnahmezustand verhängt und die Verfassung des Landes außer Kraft gesetzt. Mehrere hundert Oppositionelle wurden seither festgenommen; Proteste gegen Musharraf wurden am Montag in mehreren Städten Pakistans gewaltsam niedergeschlagen.

Unklarheit über Wahltermin
Pakistans Staatschef Pervez Musharraf hat die Zusage des bisher geplanten Termins für die Parlamentswahl durch Regierungschef Shaukat Aziz relativiert: "Die Bemühungen zielen darauf ab, so nah wie möglich am Zeitplan der Wahlen zu bleiben", sagte Musharraf nach Angaben seines Sprechers Rashid Qureshi am Montag vor ausländischen Diplomaten.

Zuvor hatte Aziz laut amtlicher Nachrichtenagentur Associated Press of Pakistan gesagt, die für Mitte Jänner angesetzte Parlamentswahl werde "dem Zeitplan entsprechend abgehalten". Am Sonntag hatte er noch eine Verschiebung der Wahl um bis zu ein Jahr in Aussicht gestellt.

Die EU und die USA haben Staatschef Pervez Musharraf nach der Verhängung des Ausnahmezustands aufgerufen, an der Wahl wie geplant festzuhalten.

Oppositionspolitiker festgenommen
Einen Tag nach der Verhängung des Ausnahmezustands durch den pakistanischen Militärmachthaber Pervez Musharraf sind am Sonntag in dem asiatischen Staat weitere Oppositionspolitiker festgenommen worden. Unter ihnen ist auch der Führer der einflussreichen oppositionellen Muslim-Liga des im Exil lebenden Ex-Premiers Nawaz Sharif, Javed Hashmi.

Kritiker in Gewahrsam genommen
"Musharrafs Tage sind gezählt. Es ist die Zeit gekommen, die politische Rolle des Militärs zu beenden", sagte Hashmi gegenüber Journalisten, als er in der pakistanischen Stadt Multan von Polizisten abgeführt wurde. Weitere Oppositionspolitiker und dem Präsidenten gegenüber kritisch eingestellte Juristen wurden in der Stadt Quetta in Gewahrsam genommen, teilte die Polizei mit. Bereits am Samstag hatte Musharraf unter anderem den Chef des Verfassungsgerichts Iftikhar Chaudhry seines Amtes entheben und unter Hausarrest stellen lassen.

Menschenrechtler festgenommen
In der pakistanischen Stadt Lahore sind am Sonntag mehr als 30 Menschenrechtsaktivisten verhaftet worden. Polizisten seien in die Zentrale der Menschenrechtskommission eingedrungen und hätten 30 bis 40 Mitglieder abgeführt, teilte der als Wachmann eingesetzte Mohammed Yousaf mit. Auch der Leiter des Büros, I.A. Rahman, wurde abgeführt. Er gilt als entschiedener Kritiker von Staatschef Pervez Musharraf. Zuvor war in Lahore bereits der Vorsitzende der Pakistanischen Menschenrechtskommission, Asma Jehangir, verhaftet worden.

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In einer am Samstag Abend vom staatlichen Fernsehen übertragenen Rede an die Nation sagte der Präsident, er habe damit auf eine "gefährliche Entwicklung" reagiert. "Wir stehen jetzt vor einer großen Prüfung", meinte er im Hinblick auf die zunehmende Gewalt religiöser Extremisten und Terroristen. "Dies ist ein sehr kritischer Moment", betonte er und verwies auf die zunehmende Lähmung der Regierung durch Extremismus sowie durch die Eigenmächtigkeit der Justiz. Musharraf versprach eine schnellstmögliche Rückkehr zur Demokratie.

Auch Oberster Richter ausgewechselt
Mit der Verhängung des Ausnahmezustandes wurde auch der Oberste Richter ausgewechselt. Als Nachfolger des prominenten Musharraf-Kritikers Iftikhar Chaudhry wurde der Jurist Abdul Hamid Dogar vereidigt, meldete der Staatssender PTV. Auch der Chef der Partei Tehrik-i-Insaf (Gerechtigkeitsbewegung) und ehemalige Cricket-Star Imran Khan wurde unter Hausarrest gestellt.

Einfluss per Militär gesichert
Das Höchstgericht stand kurz vor einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Musharrafs indirekter Wiederwahl im Oktober. Am 15. November wäre seine Amtszeit als Präsident beendet, dann hätte er neu vereidigt werden müssen. Mit der Verhängung des Ausnahmezustands bleibt Musharraf zunächst Armee- und Staatschef. Der General hatte sich nach seinem Putsch 1999 in einem fragwürdigen Plebiszit die Präsidentschaft übertragen lassen. Er dekretierte insgesamt 29 Verfassungsänderungen, um seine Macht auszubauen und dem Militär dauerhaften Einfluss auf die Politik zu sichern.

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Die Vorsitzende der Pakistanischen Volkspartei (PPP), Benazir Bhutto, warf Musharraf vor, de facto das Kriegsrecht eingeführt zu haben. Dies sei der "schwärzeste Tag" in der Geschichte des Landes. Die frühere Regierungschefin (1988-90, 1993-96) eilte am Samstag aus Dubai nach Pakistan zurück. Sie war erst am 18. Oktober aus dem Exil zurückgekehrt. Dabei wurde damals ein Anschlag auf ihren Konvoi in Karachi verübt; mehr als 130 Menschen wurden dabei getötet.

Der Generalstaatsanwalt Malik Mohammed Qayyum wies den Vorwurf Bhuttos zurück. Von einem Kriegsrecht könne nicht die Rede sein, da der Ministerpräsident und das Parlament von den Maßnahmen des Ausnahmezustands nicht betroffen seien.

Internationale Kritik
Die internationale Gemeinschaft reagierte mit Kritik und Besorgnis auf die Entwicklung in Pakistan. US-Außenministerin Rice rief am Sonntag zu einer raschen Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung auf und forderte Zusicherungen, dass Pakistan an der im Jänner geplanten Parlamentswahl festhalten werde. Das US-Verteidigungsministerium erklärte allerdings, Musharraf solle weiterhin unterstützt werden. Pakistan sei ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen den Terror, sagte der Sprecher von US-Verteidigungsminister Robert Gates, Geoff Morrell. Die EU-Kommission äußerte sich besorgt über die Entwicklung und rief Musharraf auf, an der angekündigten Parlamentswahl festzuhalten.

Wirtschaftliche Folgen wohl begrenzt
Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ausnahmezustands dürften Experten zufolge begrenzt bleiben. Zwar gingen Händler am Wochenende davon aus, dass die Börse in Karatschi am Montag um bis zu 3,5 Prozent tiefer eröffnen könnte. Sorge vor einem Börsen-Crash bestehe jedoch nicht. "Am Ende des Tages wollen Investoren, ob inländische oder ausländische, Stabilität und Kontinuität sehen", sagte Munir Ladha von Eastern Capital. Eine Flucht der Ausländer aus dem Markt sei nicht zu erwarten, erklärte auch Aqeel Karim Dhedhi von AKD Group.

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