Der EU-Streit um Höchstarbeitszeiten ist beigelegt: Bis zu 65 Wochenstunden sollen möglich sein. Zudem werden Zeitarbeiter gleichgestellt.
Die EU-Staaten haben ihren jahrelangen Streit um Höchstarbeitszeiten und die Gleichstellung von Zeitarbeitern beigelegt. Die Arbeitsminister der 27 Mitgliedstaaten einigten sich in der Nacht zum Dienstag in Luxemburg nach langwierigen Beratungen auf gemeinsame Regeln, die unter bestimmten Bedingungen eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit von derzeit 48 auf bis zu 65 Wochenstunden ermöglichen, wie der slowenische EU-Vorsitz mitteilte.
Zeitarbeiter wie Festangestellte
Zeitarbeiter sollen künftig
wie Festangestellte behandelt werden. Die Pläne könnten noch auf Widerstand
aus dem Europäischen Parlament stoßen, das die Richtlinien verabschieden
muss.
Die Arbeitszeit-Richtlinie soll Abweichungen von der Regel, wonach die wöchentliche Höchstarbeitszeit in der EU bei 48 Stunden liegt, besser bestimmen. Arbeitnehmer in Europa sollen die Möglichkeit haben, nach genau festgelegten Bestimmungen bis zu 60 oder sogar 65 Stunden zu arbeiten.
Großbritannien: Ausnahmeregel
Großbritannien war wegen
einer Ausnahmeregel nicht an die bisherige EU-Regelung für die
Höchstarbeitszeit gebunden. Laut dem für Beschäftigung zuständigen
britischen Staatssekretär Pat McFadden bringen die flexiblen Arbeitszeiten
den Unternehmen in seinem Land jährlich hohe Zusatzeinnahmen und schaffen
zusätzliche Arbeitsplätze.
Frankreichs Arbeitsminister Xavier Bertrand hatte vor der Einigung in Luxemburg gesagt, sein Land habe nicht vor, soziale Sicherheiten aufzugeben. Nach Angaben von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) wird sich in Deutschland durch das neue Regelwerk voraussichtlich nicht viel ändern.
Inaktive Aufsicht
Zum Thema Arbeitszeiten vereinbarten die
Minister, dass Phasen "inaktiver Aufsicht" künftig nicht mehr als
Arbeitszeit geltend gemacht werden können. Zwei europäische
Gerichtsentscheidungen besagen, dass Aufsichtszeiten als Teil der
Arbeitszeit zu gelten haben. Die meisten europäischen Staaten verstoßen
allerdings gegen diese Festlegung, vor allem im medizinischen Bereich.
Für Zeitarbeiter vereinbarten die EU-Minister, dass diese ab dem ersten Arbeitstag ihren festangestellten Kollegen gleichgestellt werden müssen. Auf nationaler Ebene können sich die Sozialpartner allerdings auf Übergangsfristen einigen.
Spanien, Belgien, Griechenland, Ungarn und Zypern kritisierten die Vorschläge zur Erhöhung der Arbeitszeit scharf und forderten das EU-Parlament auf, sich dagegenzustellen.
Hitzige Debatte in Österreich
Die neue EU-Regelung setzt in
Österreich nun eine hitzige Debatte in Gang. Lobende Worte kommen vom
Generalsekretär-Stellvertreter der Wirtschaftskammer, Reinhold Mitterlehner,
und von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, der den Kompromiss
mitverhandelte.
In Österreich würde sich laut Bartenstein nichts ändern: „Außer dass mein Schlaf ruhiger sein wird, weil wir in Sachen Arbeitszeit in den Spitälern nicht mehr gegen EU-Recht verstoßen.“ Seit zwei EuGH-Urteilen von 2000 bzw. 2003, die Bereitschaftszeit als Arbeitszeit ansahen, verstießen fast alle EU-Länder gegen EU-Recht.
„Verheerendes Signal.“
Heftige Kritik hagelt es von
SPÖ, Grünen und der Gewerkschaft. ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer spricht
von einem „verheerenden Signal für das soziale Europa“. Er setzt auf das
EU-Parlament, das der Novelle noch zustimmen muss. „Die Abgeordneten werden
sich hoffentlich nicht dem faulen Kompromiss der Mitgliedsstaaten beugen,
sondern ein deutliches Zeichen für ihre politische Eigenständigkeit setzen“,
so Hundstorfer.