Verhandlungen

Mercosur-Streit geht ins Finale

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Alles oder nichts, heißt es heute und morgen für den Freihandelspakt mit Südamerika. 

Mehr als 20 Jahre lang wurde zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten verhandelt – jetzt könnte das umstrittene Freihandelsabkommen tatsächlich in den letzten Zügen sein. Seit Montag bis inklusive Freitag, also morgen, findet in Uruguays Hauptstadt Montevideo die möglicherweise letzte Verhandlungsrunde statt.

Vor allem Brasilien ist mit offenen Karten in die finalen Gespräche gegangen: Man möchte zu einem Abschluss kommen, ließ der zuständige Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium vorab wissen. Denn: In Brasilien finden am 7. Oktober Wahlen statt, den Handelsdeal – er sorgt auf beiden Seiten des Atlantiks für mächtig Kritik – will man aber lieber aus dem Wahlkampf raushalten.

»Entweder, sie einigen sich jetzt, oder Pakt liegt auf Eis«

Streit. Ob ein Abschluss des Abkommens doch noch verhindert werden kann, liegt vor allem an der Frage der Einfuhrquoten für Rindfleisch aus Südamerika. Das wird unter schlechteren Bedingungen und zu billigeren Konditionen produziert. Doch laut aktuellem Verhandlungsstand sollen die Mercosur-Länder künftig 100.000 Tonnen von ihrem Hormonfleisch in die EU einführen dürfen. Europäische Bauern fürchten, dadurch unter Druck zu geraten. Ähnliches gilt für den südamerikanischen Zucker.

Scheitern? Die EU – im Gegenzug soll sie Autos und Autoteile nach Südamerika exportieren dürfen – möchte die Fleisch-Einfuhrquote noch drücken. Brasilien, Argentinien, Venezuela & Co. sind die 100.000 Tonnen jährlich aber noch zu wenig. Daran könnte der ganze Deal jetzt scheitern.

"Entweder einigen sich die EU und die Mercosur-Staaten diese Woche oder der Deal wird für längere Zeit auf Eis liegen", schätzt Greenpeace-Handelsexperte Jens Karg die aktuelle Lage zu dem umstrittenen Pakt ein.

"Öffentlichkeit wird komplett außen vor gelassen"

Jens Karg von der Umweltschutzorganisation Greenpeace über den Handelspakt.

ÖSTERREICH: Was hören Sie als NGO-Vertreter von den Mercosur-Verhandlungen?

Jens Karg: Es wird strikt die Öffentlichkeit außen vor gehalten. Wieder sind es Verhandlungen ohne Transparenz, wieder, ohne dass nennenswerte Details an die Öffentlichkeit dringen. Klar ist, dass die europäische Automobilindustrie großen Druck auf die Kommission ausübt, zu einem Ergebnis zu kommen. Angesichts der manifesten Wirtschaftskrise in Argentinien und des zu erwartenden Rechtsrucks in Brasilien muss sich die EU fragen lassen, ob sie so überhaupt ernsthaft verhandeln kann.

ÖSTERREICH: Wird es, glauben Sie, morgen zu einem Abschluss kommen?

Karg: Wahrscheinlich ist, dass EU-Kommissarin Malmström, so auf technischer Ebene diese Woche deutliche Fortschritte erzielt werden, auf dem G20-Gipfel in Argentinien am Freitag und Samstag die Gelegenheit hat, mit den Mercosur-Ministern zumindest informell den „Sack zuzumachen“.

ÖSTERREICH: Noch soll aber viel Uneinigkeit zwischen der EU und Mercosur-Staaten bestehen ...

Karg: Ja, Zweifel, ob ein Abschluss gelingen kann, bestehen. Der brasilianische Außenminister hat vergangene Woche in einem Interview mit der Financial Times gesagt, dass die EU „nicht großzügig genug“ sei, in Bezug auf Rindfleisch und Zucker. Er sagte, das Angebot in der vorliegenden Form sei schwer an den brasilianischen Kongress zu verkaufen. EU-Agrarkommissar Hogan war hier aber deutlich: Mercosur müsse nachgeben.

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