Rückgriff auf Derivate vor 2009 entschuldbar, jetzt nicht mehr.
Die Spekulation mit risikoreichen Wertpapieren ist die größte Bedrohung für die Weltwirtschaft, sagte Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl am Donnerstag in seiner Vorlesung auf der Wirtschaftsuniversität. Er selber habe das Risiko vor 2009 unterschätzt und nicht geglaubt, dass die Auswirkung auf die Realwirtschaft groß sein könne. "2009 hat mich eines Besseren belehrt", so Leitl.
Der Wert von Derivaten liege immer noch beim hundertfachen der Realwirtschaft. Vor 2009 "konnte jeder sagen, ich habe es nicht wissen können, seither hat es jeder wissen müssen" - und sein Verhalten ändern, meint Leitl. Auch dürfe man sich mit heutigem Wissen nicht mehr auf gute Ratings verlassen. Die US-Investmentbank Lehmann Brothers, deren Pleite die Weltwirtschaftskrise auslöste, war fünf Tage vor dem Bankrott noch mit der Bestnote AAA bewertet, erinnerte Leitl.
"Wenn es keine großen Krisen gibt, haben wir 2013 gute Chancen", so der immer optimistische Wirtschaftskammerpräsident. Zugleich warnte er vor der "gesellschaftspolitischen Brisanz" der hohen Arbeitslosigkeit, insbesondere unter Jugendlichen, in einigen europäischen Staaten. Das könne zu Unruhen führen. Auch in Ägypten sei der frühere Präsident Mubarak nicht wegen seines autoritären Führungsstils aus dem Amt gejagt worden, sondern wegen der fehlenden Perspektiven für die Bevölkerung, verglich er. "Niemand soll sagen, dass Europa davor gefeit ist", so Leitl. Auch dürfe man nicht glauben, dass Probleme in Spanien oder Griechenland Österreich nicht berührten. "Wir sind Teil einer globalen Welt. Was woanders passiert, berührt auch uns".