In der Kolumne "Rainer Will's sagen" spricht Rainer Will, Geschäftsführer des Österreichischen Handelsverbandes und Herausgeber des Fachmagazins RETAIL, darüber, dass es sich wieder lohnen muss, mehr zu arbeiten.
Wer in Österreich arbeitslos wird, bekommt 55 % des letzten Monatsgehalts als Arbeitslosengeld ausbezahlt. Im EU-Vergleich ist dieser Wert eher niedrig. Dafür sinkt er mit der Zeit kaum noch, weil nach dem Arbeitslosengeld Notstandshilfe bezogen werden kann, die nur geringfügig unter diesem Niveau liegt. In vielen anderen Ländern sinkt die Unterstützung hingegen mit der Zeit. Ein Anreiz, sich so möglichst schnell einen neuen Job zu suchen.
Anders in Österreich:
Die Notstandshilfe garantiert ein dauerhaftes Arbeitslosengeld auf fast unverändertem Niveau. Ebenfalls zeitlich unbegrenzt können heimische Arbeitslose bis zur Geringfügigkeitsgrenze — 500,91 Euro pro Monat — dazuverdienen. Gedacht war das als Sprungbrett zurück in den Arbeitsmarkt. Geworden ist daraus ein Hindernis, das die Arbeitslosigkeit sogar verlängert. Gerade bei niedrigen Einkommen gibt es kaum noch finanzielle Anreize, aus Arbeitslosigkeit in ein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis zu wechseln. Auch die Schattenwirtschaft wird damit gefördert.
Arbeitsmarktreform
Der Handelsverband fordert daher schon seit Jahren eine umfassende Arbeitsmarktreform mit einer degressiven Gestaltung des Arbeitslosengeldes. Jetzt drängt die Zeit, denn die Pandemie und die jüngsten Pensionierungswellen haben zu einem gravierenden Personalmangel geführt. Zwei Drittel der heimischen Händler klagen über zu wenige verfügbare Arbeitskräfte. Bundesweit gibt es fast 35.000 offene Stellen, die nicht zeitnah besetzt werden können.
Eine gelungene Arbeitsmarktreform müsste die Zuverdienstmöglichkeiten beim Bezug von Arbeitslosengeld finanziell wie zeitlich begrenzen. Sinnvoll wären auch wirksamere Kontrollen und Sanktionen bei einem eventuellen Leistungsmissbrauch. Und natürlich müsste man auch bei der Vollzeitarbeit selbst ansetzen, Stichwort Lohnnebenkosten. Kaum wo in Europa zahlen Unternehmen so viel für ihre Beschäftigten, ohne dass es im Börsel der Angestellten landet.
Und: Abgesehen von Belgien und Spanien ist es in keinem anderen europäischen Land finanziell unattraktiver, seine Arbeitszeit auszuweiten als in Österreich, wie ein Vergleich der Agenda Austria zeigt. Ein Durchschnittsverdiener, der 30 Wochenstunden arbeitet, wird für jede zusätzliche Stunde mit einer Abgabenlast von 55,7 % bestraft. Hier herrscht Handlungsbedarf. Es geht nicht darum, Teilzeit gegen Vollzeit auszuspielen.
Es geht darum, dass es sich finanziell auch proportional auszahlen muss, mehr zu arbeiten. Leistung muss sich wieder lohnen – das ist ein Gebot der Fairness.