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Gurken dürfen wieder krumm sein

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Endlich dürfen Gurken wieder so krumm sein wie sie wollen. Vom 1. Juli an ist eines der berühmtesten Symbole für die Brüsseler Regelungswut Geschichte: der berüchtigte Krümmungsgrad der Gurke. Bisher durfte das grüne Gemüse auf zehn Zentimeter Länge um höchstens zehn Millimeter geneigt sein.

Die EU-Bürokraten verteidigten sich stets, dies sei ein Wunsch des Handels gewesen, da genormte Gurken besser in eine Standardkiste passen. Auch bei 25 anderen Obst- und Gemüsesorten ist künftig wieder Individualität angesagt. "Dies bedeutet einen Neuanfang für die krumme Gurke und die knorrige Karotte", sagte EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel, als im vergangenen November die Normen gegen "unförmiges" Obst und Gemüse abgeschafft wurden.

Ziel der EU war, weniger Regeln zu haben und Bürokratie abzubauen. Außerdem sollte gut genießbares Obst und Gemüse nicht mehr vernichtet werden, nur weil es nicht der Norm entsprach. "Es ist sinnlos, einwandfreie Erzeugnisse wegzuwerfen, nur weil sie die "falsche" Form haben", schimpfte Fischer Boel. Auch Deutschland stimmte damals für die Abschaffung der Norm.

Doch was die einen als Durchbruch empfanden, stieß bei anderen auf herbe Kritik. Der Deutsche Bauernverband warnte vor "Wühltischen" im Supermarkt und nannte die Brüsseler Entscheidung "reine Symbolpolitik". Qualitäts- und Güteeigenschaften seien nicht mehr klar erkennbar und das staatliche Kontrollsystem werde ausgehöhlt. Auch die wichtigen Produzentenländer wie Frankreich, Spanien, Polen oder Belgien waren gegen die Vereinfachung.

Die EU-Kommission erließ die Gurkenverordnung (1677/88/EWG) im Jahr 1988 auf Wunsch des Handels. Sie setzte Qualitätsnormen für Gurken fest und schrieb Krümmungsgrade für vier Handelsklassen vor. Edle Gurken der Extra-Klasse mussten demnach "gut geformt und praktisch gerade" sein - maximale Krümmung: zehn Millimeter auf zehn Zentimetern Gurkenlänge. Die Händler wollten die Norm, weil sich gerade Gurken platzsparender verpacken lassen. In eine standardisierte Gemüsekisten passt immer die gleiche Menge an Standard-Gurken.

Aber auch Mindestgewicht, -größe und andere Merkmale von Gemüsesorten waren bislang in der EU genau vorgeschrieben. Für Lauch der ersten Güteklasse etwa galt: "Mindestens ein Drittel der Gesamtlänge oder die Hälfte des umhüllten Teils muss von weißer bis grünlich-weißer Färbung sein. Jedoch muss bei Frühporree/Frühlauch der weiße oder grünlich-weiße Teil mindestens ein Viertel der Gesamtlänge oder ein Drittel des umhüllten Teils ausmachen."

Von nun an muss Lauch vor allem wieder schmecken. Auch bei Rosenkohl und Melonen, Pilzen und Knoblauch, Auberginen, Spargel und Spinat ist nun wieder fast alles erlaubt. Für manche Obst- und Gemüsesorten dagegen bleibt weiter alles beim alten. Äpfel, Zitrusfrüchte, Kiwis, Salate, Pfirsiche und Nektarinen, Birnen, Erdbeeren, Paprika, Trauben und Tomaten unterliegen weiterhin bestimmten Standards. Sie machen drei Viertel des EU-Handelswerts aus. Auch Früchte fern der Standard-Form und -Größe dürfen künftig verkauft werden. Sie müssen dann aber entsprechend gekennzeichnet sein - zum Beispiel als "zur Verarbeitung bestimmtes Erzeugnis". Ganz ohne Regeln geht es also doch nicht.

Von Catherine Simon, dpa

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