Österreich schafft als einziges Land Kyoto-Ziel nicht

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Österreich wird als einziges Land der 15 EU-Staaten, die gemeinsam ein CO2-Reduktionsziel unter dem Kyoto-Protokoll vereinbart haben, seine Vorgaben nicht schaffen.

Das geht aus einem aktuellen Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) hervor. Die jüngsten Abschätzungen zeigen für die EU-15 sogar eine Mehreinsparung als vorgesehen: Statt die angepeilten 8 % schaffen die Länder gemeinsam sogar minus 13 %.

Der Bericht stützt sich auf Selbsteinschätzungen der Mitgliedstaaten. Dabei hat Österreich als einziges EU-Land angegeben, seine Treibhausgasausstöße im Schnitt der Jahre 2008 bis 2012 nicht in ausreichendem Maße reduzieren zu können, um den Vorgaben des Kyoto-Protokolls zu genügen. Österreich wird seine Bemühungen in allen Bereichen intensivieren müssen, die nicht unter den Emissionshandel fallen, mahnt die EEA.

CO2-Rechte werden zugekauft

Österreich, das sich im Kyotoprotokoll verpflichtet hat, seine Treibhausgasemissionen um 13 % zu senken, wird das nicht erreichen, weil es in den Bereichen, die nicht dem Emissionshandel unterliegen (Verkehr, Wärme), um gut 10 Mio. t unter dem Zielwert liegt.

Industrie und Energiewirtschaft können mit Hilfe des Zukaufs von "Verschmutzungsrechten" im Rahmen von internationalen Projekten (Clean Development-Mechanism und Joint Implementation; CDM/JI) voraussichtlich ihre Ziele erfüllen, geht aus dem von der Kommission vorgelegten Bericht hervor.

Die Lücke in den sogenannten "Non ETS"-Sektoren beträgt nach den Projektionen 10,2 Mio. t CO2 pro Jahr - das sind 12,9 % der Emissionen im Basisjahr (1990). Neben Verkehr/Transport und Heizung/Haushalte fallen in diese Kategorie auch die Landwirtschaft und die Abfallwirtschaft.

Energie und Industrie auf Kurs

Auf Kurs liegen dagegen die energieintensive Industrie und die Energieerzeuger, die beide dem Emissionshandel unterliegen. Diese haben im vergangenen Jahr nur mehr 32 Mio. t CO2 ausgestoßen, nachdem sie in den drei vorangegangenen Jahren durchschnittlich 32,5 Mio. t emittiert hatten. Der Zielwert liegt zwar bei durchschnittlich 30,7 Mio. t, 10 % davon dürfen jedoch über die Kyotomechanismen erworben werden. Darüber hinaus hat der Produktionseinbruch in der Industrie erst im Herbst 2008 begonnen.

Gemäß den im vergangenen Frühjahr bekanntgegebenen Zahlen liegt die EU-15 2007 bereits um fünf Prozent unter dem Basisjahr. Nach den nun zusammengetragenen Daten der Nationalstaaten aus 2008 werden im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 die Emissionen um 6,9 % unter dem Basisjahr liegen. Dazu treten noch emissionsmindernde internationale Projekte (CDM/JI), Aufforstungen und andere Maßnahmen, die schließlich zu dem Rechenwert von bis zu 13,1 % führen, geht aus dem Bericht der Kommission hervor.

Berlakovich will schnell Klimaschutzgesetz

Umweltminister Berlakovich sieht nun den Anlass gegeben, das nationale Klimaschutzgesetz endlich auf den Weg zu bringen: Es brauche "eine gesetzlich festgelegte Verteilung der Rechte und Pflichten". Dafür erwarte er sich eine entsprechende Unterstützung aller Beteiligten, konkret von "Bund, Ländern und Wirtschaft".

Das Klimaschutzgesetz werde von den "mit-zuständigen Bundesstellen, dem Verkehrs- und Wirtschaftsministeriums noch geblockt", kritisierte Berlakovich. Die Länder hätten sich bereits dazu bekannt. Das Klimaschutzgesetz soll konkret die Zuteilung von Emissionsmengen für Einzelbereiche wie Verkehr, Industrie und Raumwärme enthalten. Außerdem soll ein geeigneter Sanktionsmechanismus bei Überschreitung von Emissionshöchstmengen eingeführt werden.

Für Berlakovich ist jedenfalls klar, dass die Anstrengungen für den Klimaschutz in Österreich "noch nicht engagiert genug" gewesen seien. "Die Zeit der Lippenbekenntnisse und Unverbindlichkeiten ist vorbei." Das Klimaschutzgesetz wurde von Berlakovichs Amtsvorgänger Pröll ins Spiel gebracht, der damit aber zunächst am Widerstand der Länder gescheitert war.

Scharfe Töne

Wenig überraschend hagelte es harsche Kritik aus der Opposition und den Reihen der Umweltschützer: FPÖ-Umweltsprecher Norbert Hofer zeigte sich schlicht verärgert, die Grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner findet das Ergebnis des Berichts "peinlich" und das BZÖ befürchtet, dass Österreich zum "Sitzenbleiber" mutiert. Greenpeace sprach von einem "Scherbenhaufen" der heimischen Klimapolitik.

Hofer fordert legistische Maßnahmen: Aufgrund des "Debakels" sei ein Erneuerbares Energien Gesetz nach dem Vorbild Deutschlands notwendig, sagte er in einer Aussendung. Brunner sieht in Österreich ein "ehemaliges Umwelt-Musterland". Auch sie fordert Maßnahmen im Bereich Erneuerbare: Umweltminister Berlakovich müsse vor der UNO-Klimakonferenz in Kopenhagen zumindest einen Zeitplan für ein Ökostromgesetz vorlegen, das seinen Namen verdiene. Außerdem brauche es ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Zielen.

BZÖ-Umweltsprecher Robert Lugar sieht als Grund für das Versagen eine "enge Verquickung zwischen der rot-schwarzen Regierung und der Energielobby". Um die CO2-Reduktionsziele erfüllen zu können, müsse ein Umdenken stattfinden und endlich die Kostenwahrheit im Vordergrund stehen. "In Wahrheit sind die erneuerbaren Energien für die Österreicher nämlich langfristig günstiger als die konventionellen Energien."

Greenpeace-Sprecher Niklas Schinerl sieht Milliardenzahlungen wegen der Nichterreichung der Kyoto-Ziele auf Österreich zu kommen: Das Land liege knapp 100 Mio. t CO2 über seinem Klimaziel. Bei aktuellen Preisen von dreizehn bis fünfzehn Euro pro Tonne CO2 komme es somit zu einer Summe von weit über 1 Mrd. Euro. "Österreich hat inzwischen keine andere Wahl mehr, als sich von der eigenen Verschmutzung freizukaufen", so Schinerl. Das sei deutlich mehr, als jeweils in die letzten beiden Konjunkturpakete investiert wurde.

Sanktionsrisiko wegen CO2-Zielen wenig konkret

Sollte Österreich die im Kyotoprotokoll 1997 eingegangenen internationalen Verpflichtungen zur Verringerung der CO2-Emissionen nicht erfüllen können, drohen Sanktionen - ob diese zustande kommen, wie hoch diese ausfallen würden und ob sie überhaupt durchgesetzt werden können, steht aber in den Sternen. Den konkretesten Ansatz sieht man in der EU-Kommission in einem EU-Vertragsverletzungsverfahren.

In einem Vertragsverletzungsverfahren warnt die Kommission, die Hüterin der Verträge, den säumigen Mitgliedstaat zweimal schriftlich, ehe sie beim EuGH Klage einreicht. Gewinnt sie dieses Verfahren und das verurteilte Land wird nicht tätig, kann sie ein Verfahren anstrengen, das im Fall einer neuerlichen Verurteilung damit endet, dass ein Bußgeld gegen das Land verhängt wird.

Ein solcher Rechtsweg dauert voraussichtlich mehrere Jahre, kann "aber durchaus in Bußgeldern in Millionenhöhe für jeden Tag des fortgesetzten Vertragsbruchs enden", erläutert eine Sprecherin des Umweltkommissars Stavros Dimas, sie fügt aber hinzu: "Zu solchen Sanktionen gegen Mitgliedstaaten ist es bisher nur selten gekommen."

Im Kyotoprotokoll selbst ist vorgesehen, dass Länder, die die Vorgaben nicht erfüllen, in der Folgeperiode ihren Treibhausgasausstoß um zusätzlich 30 % reduzieren müssen - eine Bestimmung, der aktuell die Basis fehlt: "Welche Bestimmungen die zweite Periode bringt, ist derzeit offen", sagte die Sprecherin in Hinblick auf den Weltklimagipfel in Kopenhagen im kommenden Dezember, der ja ein neues Abkommen für die Zeit nach 2012 bringen soll.

Dem Emissionshandel unterliegende Unternehmen der Industrie und der Energiewirtschaft müssen notfalls Emissionsrechte aufkaufen, wenn sie die ihnen zugeteilte Ausstoßmenge überschreiten - ein Szenario, das zumindest unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Umständen wenig wahrscheinlich ist.

An der Leipziger Energiebörse kostet 1 t CO2 derzeit rund 13 Euro pro Tonne - gegenüber 23 Euro zu Beginn der Periode Anfang 2008. Laut Umweltkommissar Dimas ist die Einführung von Preisuntergrenzen für CO2-Zertifikate nicht geplant.

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