Impfstoff-Produktion gegen Schweinegrippe stockt

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Die USA wollen 50 Prozent der Bevölkerung durch eine Impfung gegen die Schweinegrippe schützen. Die deutschen Bundesländer haben 50 Mio. Dosen solcher Vakzine bestellt. Man will 30 Prozent der Menschen schützen. Österreich hat einen Vorvertrag mit dem Pharmakonzern Baxter auf die Lieferung von 16 Mio. Dosen Vakzine, was die Immunisierung der gesamten Bevölkerung dienen soll. Doch international gibt es unter Experten eine heftige Diskussion darüber, wieviel Impfstoff gegen die neue A(H1N1)-Grippe überhaupt produziert werden kann.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bereits gemeldet, dass die für die Impfstoffproduktion verwendeten Saatviren weniger gut "wachsen" als man erhoffte. Egal, ob die Vermehrung der Viren für die Gewinnung der Antigene für die Vakzine auf embryonisierten Hühnereiern (alte Methode) oder in Gewebekulturen (z.B. Baxter, Novartis) erfolgt, das Viruswachstum ist der entscheidende Faktor.

"Erste Versuche mit der Produktion einer Pandemie-Vakzine bringen bisher zwei bis viermal weniger Antigen-Mengen als mit den saisonalen ("normalen", Anm.) Influenza-Virus-Stämmen. Das schafft das Bedrohungsszenario, dass die Produktionskapazität faktisch viel kleiner sein könnte als erhofft", hieß es in der britischen Wissenschaftszeitschrift "Nature" (22. Juli).

Engpässe würden Stufenplan für Impfungen notwendig machen

Laut einer im Mai von der WHO bei insgesamt 36 potenziellen Impfstoffherstellern durchgeführten Umfrage, könnten binnen eines Jahres maximal 4,9 Mrd. Dosen einer Pandemie-Vakzine (das wäre Impfstoff für an die 2,5 Mrd. Menschen) produziert werden. Pro Woche könnten demnach unter optimalen Bedingungen 94,5 Mio. Dosen hergestellt werden. Liegt die Virus-Ausbeute aber nur bei der Hälfte oder bei einem Viertel der erhofften Menge, würden sich bald erhebliche Probleme ergeben. Fazit: Die Vakzine müsste nach einem Stufenplan verteilt werden. Zuerst wohl an die Angehörigen des Gesundheitswesens, Feuerwehr, etc. sowie chronisch Kranke mit besonderem Risiko. Die USA wollen Schwangere als erste impfen. Die Entscheidung, wer in einer Arztordination die Vakzine erhält und wer nicht, könnte dort zu Diskussionen führen. Welcher Hausarzt "rationiert" schon gerne?

Expertendiskussionen gibt es auch über die Zusammensetzung der Vakzine. Hier geht es beispielsweise darum, ob in dem Impfstoff auch Adjuvantien ("Verstärker") verwendet werden oder nicht. Werden sie benutzt, könnte die Antigen-Menge pro Dosis eventuell reduziert werden.

"Nach dem Erhalt des Virusstamms Ende Mai begann GSK sofort mit der Produktion eines adjuvantierten H1N1-Impfstoffs. (...) Der Kandidatimpfstoff besteht aus zwei Komponenten in unterschiedlichen Ampullen - dem Antigen für die Pandemie 2009 (H1N1) und dem AS03-Adjuvanssystem des Unternehmens, die vor der Applikation zu mischen sind", hieß es in einer Aussendung des Pharmakonzerns GlaxoSmithKline (GSK). Der für Österreich vorgesehene Impfstoff von Baxter wird übrigens ohne Adjuvans produziert.

Die Pandemie-Vakzine werden von den Zulassungsbehörden auf der Basis von bereits erteilten Genehmigungen für sogenannte Mock-up-Vakzine in einem verkürzten Verfahren registriert werden. Dabei nutzt man die Zulassung der bereits vorhandenen Modell-Impstoffe, wobei bloß das enthaltene Antigen ausgetauscht wird (z.B. statt "Vogelgrippe" H5N1 die neuen H1N1-Erreger).

Sicherheitsbedenken bei schneller Zulassung

Experten haben bereits auf Sicherheitsbedenken hingewiesen. 1976 gab es einen H1N1-Schweine-Influenza-Ausbruch in den USA. Eine schnell produzierte Vakzine für Massenimpfungen führte zu neurologischen Nebenwirkungen mit einer Häufigkeit von eins zu 100.000, es gab 25 Todesfälle. Die Vakzine wurde zurückgezogen.

Dazu heißt es in der neuesten Ausgabe der britischen Medizin-Fachzeitschrift "The Lancet" (1. August) in einem Leitartikel: "Die Staaten müssen sorgfältig Nutzen und Risiko der schnellen Zulassung von H1N1-Vakzinen abschützen, speziell weil die Krankheit offenbar bei den meisten Patienten mild verläuft und sie wieder gesunden lässt. Sie müssen darüber hinaus eine strikte Post-Marketing-Überwachung (Meldesystem für Nebenwirkung, Anm.) installieren, bevor die Impfstoffe verfügbar werden."

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