Schweinegrippe-Virus wandert tief in die Lunge

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"In den meisten Fällen verläuft die A(H1N1)-Influenza mild. Doch ein kleiner Teil der Patienten erkrankt 'spektakulär' schwer", diese Warnung sprach der kanadische Experte Anand Kumar (Universität von Manitoba) bei einer Pressekonferenz des Pharmakonzerns Roche in Basel aus.

Jetzt gibt es eine Erklärung für die teilweise sehr schweren Krankheitsverläufe: Die neuen A(H1N1)-Viren binden offenbar auch an Rezeptoren ganz tief in der Lunge, was die Krankheit in diesem Fall gefährlicher macht. Die Ergebnisse einer entsprechenden Studie werden am 10.9. online von Wissenschaftern des Imperial College in London in der Fachzeitschrift "Nature Biotechnology" veröffentlicht.

Ten Feizi, Autor der wissenschaftlichen Arbeit: "Die meisten Leute, die sich bisher mit dem Schweinegrippe-Virus während der derzeitigen Pandemie infiziert haben, haben nur milde Symptome gehabt. Aber bei manchen kam es zu schweren Lungeninfektionen, die jedenfalls schlimmer sind als bei der saisonalen Influenza."

Eindringen in die tiefen Atemwege

Die Wissenschafter untersuchten die Bindungsfähigkeit von saisonalen A(H1N1-Viren) und von A(H1N1)-Viren des Schweinegrippe-Stammes an verschiedenen Geweben von Frettchen, Mäusen und Primaten. Sie dienen seit langem als Tiermodelle für das Studium der Influenza: Während die "normalen" H1N1-Viren vor allem an Rezeptoren der oberen Atemwege (Nase, Rachen etc.) andockten und dort in das Gewebe eindrangen, um die Zellen auf Virusproduktion umzupolen und sich so zu vermehren, können die neuen Schweinegrippe-Viren offenbar besser eine andere Variante der Rezeptoren in den tiefen Atemwegen (Lunge) für das Eindringen in den Körper benutzen.

Feizi: "Diese Unterschiede bei der Rezeptor-Bindung zwischen den Pandemie- und den saisonalen Influenza-Viren können zumindest zum Teil die größere Vermehrungskapazität und die schwereren Verlaufsformen bei Frettchen, Mäusen und Primaten erklären, die bei der Infektion mit dem Pandemie-Virus auftritt."

Kumar hatte in Winnipeg in Kanada Ende April dieses Jahres bei den schwerstkranken Influenza-Infizierten folgende Beobachtungen gemacht: "Die Patienten waren jung, im Durchschnitt um die 40. Nur wenige waren über 55 Jahre alt, zwei Drittel davon Frauen. Und wenn man sie eine Woche vorher nach ihrem Gesundheitszustand gefragt hätte, hätten sie gesagt: 'Ich bin eigentlich gesund'. Im Röntgen zeigten sich schwere Veränderungen der Lunge.

In Gewebeproben unter dem Mikroskop ähneln sie ganz genau den Krankheitserscheinungen der Influenza-Pandemie von 1958 und jener von 1918 (Spanische Grippe, Anm.). Und die Patienten, die ich da gesehen habe, gehörten zu den kränksten Menschen, die ich je gesehen habe. Man braucht wochenlange Beatmung - mit modernen Methoden."

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