Ein Kongress gegen das Vergessen: Vom 11. bis 16. Juli findet im Wiener Messezentrum in der Leopoldstadt die diesjährige Internationale Alzheimer-Konferenz (ICAD) statt. Rund 6.000 Teilnehmer werden erwartet. "Es kommen sicher Daten über Immuntherapien bei Morbus Alzheimer zur Sprache. Es gibt einige neue Entwicklungen bei der Therapie", erklärte der Wiener Spezialist Peter Dal-Bianco (Neurologische Universitätsklinik der MedUni Wien am AKH) gegenüber der APA.
Wegen der steigenden Lebenserwartung rollt die Krankheitswelle rund um die Hirnleistungsstörungen in Österreich und weltweit: Derzeit leben in Österreich rund 100.000 Demenzkranke, davon 60.000 bis 80.000 Personen mit fortschreitendem Morbus Alzheimer. Im Jahr 2050 werden es schon rund 230.000 Betroffene, wenn nicht sogar 270.000 sein. In Europa wird die Zahl der Demenz-Kranken von 7,1 Mio. im Jahr 2000 auf 16,2 im Jahr 2050 steigen. Das bedeutet enorme Belastungen für das Gesundheitswesen inklusive der Pflege und der Familien der Betroffenen.
Die meisten Forschungsanstrengungen laufen auf dem Gebiet des Morbus Alzheimer. Auslösender Faktor ist offenbar eine Fehlschaltung im Proteinstoffwechsel im Gehirn. Durch eine falsche Spaltung des Amyloid-Vorläuferproteins (APP) kommt es zur Ansammlung von nicht abbaubarem Beta-Amyloid im Gehirn, was die Nervenzellen zunehmend absterben lässt. Zunehmende Hirnleistungs-, Gedächtnis- und Persönlichkeitsstörungen sind die Folge. Bisher gibt es mit Hemmstoffen für den Abbauprozess des aktivierenden Nervenbotenstoffs Acetylcholin (Acetylcholinesterase-Hemmer) und der Substanz Memantine nur eine symptomatische Behandlung.
Doch international laufen viele Projekte von Pharma-Unternehmen zur Entwicklung ursächlicher Therapien bei Morbus Alzheimer: Das sind vor allem immunologische Behandlungsverfahren wie Antikörper, welche das Beta-Amyloid binden und beseitigen helfen sollen und Impfungen gegen Beta-Amyloid. Das Wiener Biotech-Unternehmen Affiris soll vom Pharmakonzern GSK bis zu 430 Mio. Euro für die Entwicklung einer Vakzine bekommen. Derzeit werden dort zwei solcher Projekte verfolgt.
Uralt-Antihistaminikum könnte helfen
In Wien sollen laut Dal-Bianco auch Ergebnisse mit dem russischen Uralt-Antihistaminikum (Allergiemedikament) Dimebon präsentiert werden. Vergangenes Jahr wurden dazu erstmals im "Lancet" positive Ergebnisse in der Behandlung von rund 90 Alzheimer-Patienten publiziert. Nach einem halben Jahr zeigte sich in psychologischen Tests eine signifikant bessere Entwicklung jener Patienten, welche das echte Medikament erhalten hatten. Hinzu kommt, dass es große Anstrengungen gibt, Morbus Alzheimer früher und eindeutiger zu diagnostizieren. Hier wird Bayer Schering Pharma bei dem Kongress Daten zu einem Diagnostikum für die bildgebende Positronen-Emissions-Tomographie (PET) vorstellen.
In Zukunft wollen sich die österreichischen Alzheimer-Forscher verstärkt in die internationale Wissenschaft einklinken. Dal-Bianco: "Wir haben ein Demenz-Register etabliert. 15 Zentren speichern dort ihre Daten anonymisiert. Bei der Konferenz werden erste Erfahrungen diskutiert. Wir brauchen diese Datenbank, sonst bekommen wir für unsere Studien auch keine Unterstützung von Forschungsförderungsfonds FWF." Auswertungen sollen Diagnose und Therapie, die Situation der Betroffenen etc. betreffen. Die Geldmittel brachten die Beteiligten auf. Eine Hilfe durch die öffentliche Hand gab es nicht.