Deutsche buchen Urlaub auf den letzten Drücker

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Die Deutschen machen ihrem Ruf als Sparfüchse und Reiseweltmeister alle Ehre und setzen in der Krise verstärkt auf Last-Minute-Urlaub. Nachdem die Reiseveranstalter monatelang unter der Zurückhaltung der Urlauber gelitten hatten, boomt das Geschäft mit den Kurzfrist-Buchungen wie lange nicht. Preisnachlässe von 20 bis 50 Prozent im Vergleich zum Katalogpreis sind zwar realistisch, aber noch lange nicht garantiert. Die großen Reiseveranstalter lassen sich ihre Gewinnpläne dabei nicht ausreden: Sie haben ihrerseits die Hoteliers im Preis gedrückt.

Beim Last-Minute-Anbieter L'TUR staunten die Verantwortlichen: 30 Prozent mehr Buchungen im Mai und fast eine Verdopplung in den ersten beiden Juni-Wochen brachten die Buchungsmaschinerie auf Hochtouren. "Last Minute ist so angesagt wie seit fünf Jahren nicht mehr", sagt L'TUR-Chef Markus Orth und zeigt sich überzeugt: "Nie waren mehr Deutsche bereit, auf den letzten Drücker zu buchen." Laut L'TUR-Sprecherin Nina Meyer hat der Mai-Trend auch im Juni angehalten.

Nun könnte man die Aussagen des L'TUR als plattes Marketing abtun. Schließlich macht die Tochtergesellschaft des weltgrößten Reisekonzerns TUI den Löwenanteil ihres Geschäfts mit Kurzfrist-Reisen - das heißt Buchungen ab sechs Wochen und kürzer vor Reisebeginn. Doch auch das Internet-Portal Expedia, das wie jedes klassische Reisebüro die Sommerkataloge der großen Veranstalter schon seit Herbst im Programm hat, bestätigt den Trend zur Entscheidung in letzter Minute. Schon jetzt gebe es 24 Prozent mehr Last-Minute-Buchungen als vor einem Jahr, sagt Expedia-Marketing-Direktor Timothee de Roux.

Dabei hat der Sommer erst begonnen, die Nachsaison steht noch komplett aus. Weil bis dahin nicht mehr viel Zeit ist, dürfte der Anteil der Kurzfrist-Buchungen weiter wachsen. So wollen laut einer Umfrage des Branchenverbandes BITKOM alleine noch fünf Millionen Deutsche ihren Urlaub in den kommenden Wochen im Internet klarmachen.

Hoher Preisdruck

Europas größte Reiseveranstalter können sich dem Preisdruck kaum verschließen. "Die Leute werden ihren Urlaub noch buchen, aber sie machen das eben später", hatte Thomas-Cook-Chef Manny Fontenla-Novoa Anfang des Jahres vorausgesagt, als Buchungsrückgänge von 15 Prozent und mehr die Branche erschütterten. Laut einer GfK-Umfrage wollen in diesem Sommer trotz der wirtschaftlichen Unsicherheit tatsächlich kaum weniger Menschen verreisen als noch 2008. TUI-Deutschland-Chef Volker Böttcher sieht deshalb noch gute Chancen. Dass so viele ihre Entscheidung bis jetzt hinauszögerten, drückte allerdings auf die Preise.

So meldete die TUI-Tochter TUI Travel, zu der TUI Deutschland gehört, bereits im Mai einen Preisrückgang von zwei Prozent für den deutschen Markt. Thomas Cook sprach damals zwar noch von einem leichten Preisanstieg. Dieser könnte aber schnell wieder aufgefressen werden, wenn die Last-Minute-Quote steigt. Kurzfrist-Urlaube kosten in manchen Fällen nur halb so viel wie im Katalog angegeben. Bereits vor Wochen haben die großen Reiseveranstalter deshalb die Hoteliers nachträglich im Preis gedrückt, um die Reisen nicht am Ende mit Verlust verkaufen zu müssen. Thomas Cook will in Deutschland nach Möglichkeit an jeder Buchung sogar noch mehr verdienen als vor einem Jahr - damals lag die sogenannte operative Marge bei drei Prozent des Umsatzes.

Für die Kurzentschlossenen kann der Last-Minute-Trend dennoch bedeuten: Mehr Urlaub für weniger Geld. Manch einer dürfte sich ärgern, seinen Sommerurlaub mit dem Frühbucher-Rabatt im Jänner gebucht zu haben. Zum einen gewähren manche Veranstalter diesen Nachlass inzwischen noch zwei Tage vor Reisebeginn. Zum anderen können die Last-Minute-Preise oft noch deutlich darunter liegen. Trotzdem sollten Urlauber genau hinschauen. "Dass die Nachfrage sich so weit nach hinten verschoben hat, muss nicht automatisch bedeuten, dass die Preise deutlich sinken", sagt die Branchenexpertin der NORD/LB, Martina Noß. Und auch L'TUR-Sprecherin Nina Meyer rät, im Internet genau zu prüfen, ob "man ein wirkliches Schnäppchen macht".

Von Steffen Weyer

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